Samstag, 22. Dezember 2007

Gedanken zum vierten Advent

Einer meiner Lieblingsfilme ist Before sunrise, der in Wien spielt, und der einen jungen Amerikaner (Ethan Hawke) und eine junge Französin (July Delpy) durch die Stadt flanieren lässt. Abgesehen von der touristischen Attraktivität sind es die ungewöhnlichen Gespräche zwischen den beiden von den Schauspielern verkörperten Protagonisten, welche diesen Film auszeichnen.

Im Zuge eines Gespräches erzählt der junge Mann von einem Freund, der vor kurzem Vater wurde. Freilich war er glücklich über die Geburt seines Kindes, doch gleichzeitig war ihm bewusst, dass mit der Geburt dieses kleinen Menschen auch dessen Tod vorprogrammiert ist. Leben und Tod gehören zusammen wie zwei Geschwister, die sich schneller oder langsamer aneinander annähern. Manche Menschen sterben sehr schnell nach oder sogar vor der Geburt, andere werden über 100 Jahre alt. Diese scheinbare Ungerechtigkeit kann nur dadurch relativiert werden, indem die (Erden)präsenz nur als Vorahnung einer höheren Dimension das Bewusstsein durchflutet. Die kleinen Kinder sind noch ganz nahe bei Gott, wie es Sinead O´ Connor in einem ihrer besten Lieder (All babies are born) beschreibt. Im Laufe der Jahre kann dieser Bezug völlig verloren gehen.

An Weihnachten feiert die Christenheit die Geburt von Jesus von Nazareth, dessen Todesumstände uns überliefert wurden. Was diesem Menschen im Laufe seines Lebens widerfuhr, können wir nur schwer nachvollziehen. Darum soll es jetzt auch gar nicht gehen. Denn wir vermögen es leicht, uns vorzustellen, wie es Maria und Josef erging, als sie auf der Suche nach einer Herberge waren. Ihnen war kalt, und sie hatten schließlich das Glück, einen kleinen Stall beziehen zu dürfen, in dem ihnen ihr Sohn geboren wurde. Den Rest der Geschichte kennen wir. Doch diese Besonderheit einer Geburt in einem kleinen Stall erinnert an die Gefahr, die das Leben von Anfang an mit sich bringt. Jesus hatte die schlechtesten Voraussetzungen, um auch nur ein paar Jahre zu überleben, wovon später in der Bibel die Rede ist. Bis ihn der göttliche Funke wieder streifte, mögen ein paar Jahre vergangen sein. Doch die Bewusstheit der Verbindung zu Gott ist bei ihm von Anfang an vorhanden wie bei jedem anderen Menschenkind. Es ist nicht wesentlich, ob Jesus mit Gott gleichgesetzt wird oder nicht. Es ist nicht wesentlich, ob an die Trinitätslehre dogmatisch geglaubt wird oder nicht. Es ist aber wesentlich, dass jeder Mensch bei seiner Geburt so nahe bei Gott war wie es bei Jesu Geburt der Fall war.

Jesus ging später auf Spurensuche, und er näherte sich wieder Gott an. Er verstärkte seine Beziehung, und wurde schließlich zu einem Menschen, der seinen Mitmenschen von dieser oft verschütteten Beziehung zu Gott erzählte. Die geweihte Nacht ist eine Begebenheit, die den Menschen mit Gott verbindet. Die Sterblichkeit ist jedem Geschöpf gegeben, und die Lebensuhr beginnt mit der Geburt abzulaufen. Das Entscheidende ist, was wir mit diesem Leben machen, und welche Bedeutung wir dem Leben beimessen. Gerade Weihnachten ist dazu angetan, über diese wichtigen Fragen nachzudenken. Das Leben mag mehr sein als ein bloßes Glückspiel der unterschiedlichsten Voraussetzungen. Davon erzählt auf wunderbare Weise die Weihnachtsgeschichte im Lukas-Evangelium, die sehr gerne am Weihnachtsabend nicht nur in den Mitternachtsmetten vorgelesen wird.

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