Donnerstag, 17. Januar 2008

Krieg und Frieden

Nun ist also ein (angebliches) Fernsehereignis, das sich über vier Teile zu je 90 Minuten erstreckte, zu Ende gegangen, und irgendwie bin ich nicht gerade überzeugt von der filmischen Adaption des Romans „Krieg und Frieden“ von Tolstoi.

Bereits vorab war ja davon zu hören, dass die Liebe einen besonderen Stellenwert zugestanden bekommen sollte, und dementsprechend war die Dramaturgie dieser kleinen Serie, die eine Unmenge an Produktionsgeld verschlungen hat, gesetzt. Bei den diversen Konstellationen von Liebesbeziehungen, die nur in einem einzigen Fall als sexuell obsessiv beschrieben werden mag, sind die Männer – mit Ausnahme von Pierre – merkwürdige, geistlose Gesellen, die an den Frauen nur bedingt oder nicht nachvollziehbar interessiert sind. Wer das Buch kennt, dem wird bekannt sein, dass von Eindimensionalität dieses Ausmaßes nicht ausgegangen werden kann. Es ist freilich keineswegs eine Notwendigkeit, Männer komplex und weitgehender darzustellen, aber wenn es der Handlung und den ihr eingeordneten Strukturen hilfreich wäre?
Kurzum, Männer sind oft Idioten; insbesondere jene, die kompromisslos in den Krieg ziehen, aber auch dieses Thema wurde nur zart angedeutet.

Umso romantischer verhielten sich die zahlreichen Frauen, welche die Schauplätze durchschritten. Auch wenn die „romantische Liebe“ seinerzeit noch unbekannt gewesen sein mag, und wenn, dann nur von den Frauen gesucht und in den seltensten Fällen auch gefunden wurde, ist es doch kurios, dass die Frauenfiguren auf ihre Weise genauso eindimensional dargestellt werden wie die Herren der Schöpfung. Natürlich erzielen die Frauen in ihrer Eindimensionalität eine weit stärkere Wirkung als die Männer, und das müssten selbst die Frauen zugeben, die die Serie gesehen haben.

Diese Filmadaption von Herrn Dornhelm wäre von mir als völlig misslungen einzuschätzen, wenn es nicht doch zwei erfreuliche Aspekte gäbe: Zum Einen die Präsenz von Pierre, der im Übrigen auch im Buch eine wichtige Funktion erfüllt. Zwar wird Pierre auch nicht unbedingt komplex geschildert, und seine psychologische Entwicklung kann nur angedeutet werden; aber er vermag in all den Eindimensionalitäten der Figuren als eigenständige Persönlichkeit zu überzeugen. Somit mag er für nicht wenige Zuschauer der einzige Identifikationspunkt gewesen sein, was ich keineswegs schlecht finde. Vielleicht wollte Dornhelm ja die Besonderheit von Pierre besonders stark darstellen, und nahm dafür in Kauf, anderen Figuren kaum Konturen zu verleihen. Jedenfalls – und nun komme ich zum Anderen – macht Pierre gerade auch den vierten und letzten Teil von „Krieg und Frieden“ zu etwas Besonderem, weil er für seine Überzeugung fast elendiglich krepiert, und nur mit viel Glück wieder zu seiner Familie und seinen Freunden lebendig zurückkehrt, und schließlich doch Natascha ehelichen kann.
Der letzte Teil erwies sich für mich als der mit großem Abstand beste der vier Teile. Endlich wurde auch der Krieg in jener Weise dargestellt, sodass sich der Zuschauer ein Bild der Ereignisse machen konnte. Die Szene, wo Pierre kraftlos von Schnee überdeckt da liegt, und dem Tode schon sehr nah ist, bis plötzlich ein Mann auftaucht, der ihn buchstäblich ausgräbt, und wieder zum Leben verhilft, ist für mich die Schlüsselszene des Vierteilers. Es ist enormes Glück, das ihn so viele tragische Momente überstehen ließ, und damit der Figur des Pierre jene Bedeutung zugesteht, wie sie auch so mancher anderen Figur hätte zugeordnet werden müssen.

Es bleibt also der Eindruck zurück, dass der Roman von Tolstoi nicht einmal angerissen worden wäre, wenn da nicht die ausgezeichnete Präsenz von Pierre, und – doch – der letzte Teil existierten. Diese beiden Aspekte haben mich darin bestätigt, dass es – trotz all der Schwächen dieser kleinen Serie – eine gute Entscheidung war, mich mit dieser Filmadaption eines Romans von Tolstoi auseinander zu setzen. Ich bereue die Sichtung also keineswegs!

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