Mittwoch, 30. April 2008

Fußball-EM, Teil 2: FUSSBALL FIEBER ÖSTERREICH

Am 29. April des Jahres, das die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz wird abhalten lassen, fand also im Vorfeld dieses Ereignisses eine DVD-Präsentation des Filmarchivs Austria statt. Die vorgestellten DVDs setzen den österreichischen Fußball in kulturwissenschaftliche und soziologische Kontexte. Zu meiner Überraschung sind ausgerechnet zu dieser Veranstaltung nur wenige Menschen eingetroffen, sodass das Metro-Kino als halb leer zu bezeichnen fast schon eine Untertreibung wäre.

Doch die wenigen anwesenden Zuschauer bekamen zum Einen erstaunliche historische Ausschnitte der Fußballgeschichte zu sehen, und wurden zum Anderen eines legendären Kameramannes, nämlich Otto Pammer, ansichtig. Die Mitproduzenten der DVD erwiesen sich als ein launiges Duo, das dem Publikum einige Lacher hervorlocken konnte.

Der interessanteste Filmausschnitt stammt aus dem Jahr 1938. Unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs ans großdeutsche Reich kam es zu einem bemerkenswerten Spiel zwischen dem „Altreich“ und der „Ostmark“. Dieses Spiel fand im Praterstadion statt und von „ganz oben“ lautete der Befehl, dass die Ostmärker kein Tor schießen sollten. Sodann zeigt der Filmbericht auch, dass der „Papierene“, Herr Sindelar, einige hochkarätige Chancen auf fantastische Weise vernebelte, und damit den Gegner buchstäblich demütigte. Doch eine der Chancen konnte gar nicht vergeben werden, da ein Ball unmittelbar vor der Torlinie zum Einschuss bereit lag. Sindelar selbst gab sich also die Ehre, und nur wenig später kanonierte Sesta fast von der Mittellinie aus einen Ball ins gegnerische Goal. Der Befehl „von ganz oben“ konnte also gar nicht ausgeführt werden, da der Komik auch damals schon Grenzen gesetzt waren.

Das Filmarchiv Austria hat mit dieser Doppel-DVD einen unschätzbaren kulturwissenschaftlichen Beitrag geleistet. Doch die Menschen interessieren sich – so scheint´s – nach wie vor bevorzugt für die leichteren Seiten des Fußballs, was ihnen freilich unbenommen bleibt.

Samstag, 26. April 2008

Blumfeld 2006


"Blumfeld geht abends gern spazieren. Da bekommt er einen klaren Kopf. Und er denkt gern nach, ja er muss nachdenken. Schließlich ist allzu viel passiert innerhalb kürzester Zeit. Nie hätte er geglaubt, je in einer solchen Situation zu sein! Arbeitslos!"Der einsame Mann aus Kafkas "Blumfeld, ein älterer Junggeselle" ist hier arbeitslos geworden und verzweifelt immer mehr an seiner Lage.

Die fünfte Geschichte des Kafka-Projektes ist jetzt als Mobile-book erschienen. Es war mir ein besonderes Anliegen, die Figur Blumfeld in die Gegenwart zu holen. Für mich ist Blumfeld die erstaunlichste Figur im Kafka-Universum: Kleinbürgerlich, verzagt, isoliert, distanziert, psychisch labil und stets kontrolliert. Doch ein paar Bälle bringen sein Leben durcheinander...

Heutzutage hat Blumfeld mit Konsequenzen zu rechnen, die ihn völlig aus der Bahn werfen, und dazu zwingen, sein Leben völlig neu zu entwerfen...

Bestellbar ist die Geschichte über http://www.mobilebooks.com/content/view/1005/32/

Samstag, 19. April 2008

Fußball-EM, Teil 1: Herz:Rasen

Im Vorfeld der Europameisterschaft in der Schweiz und Österreich gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm. Im Wiener Künstlerhaus sogar eine Ausstellung, die auf den schönen Namen Herz:Rasen hört, und einige Attraktionen zu bieten hat.

Ich habe mir von dieser Ausstellung nicht viel erwartet. Ärgerlich war im Endeffekt aber nur, dass noch technische Mängel gegeben waren, als ich mich in ein nicht vorhandenes Gewühl stürzte. Die Museums-Besucher konnte man fast an einer Hand abzählen, und es sollte mehrere Stunden dauern, bis wenigstens zwei Hände notwendig waren, und nahezu ein Fußballteam ohne Reservespieler hätte rekrutiert werden können. Ja, es verhielt sich sogar so, dass die Mitarbeiter und Zuarbeiter des Museums in der Überhand waren. In jedem Eck und auf allen möglichen Bühnen standen Techniker herum, und schleppten Inventar. Und eine Reinigungskraft staubsaugte ausgerechnet in der Schlachtgesang-Halle, wo sich Besucher als Supporter testen konnten.

Das tut jedoch nichts zur Sache, da ich gleich nach wenigen Metern in eine Welt hineingeriet, die ich insgeheim nie verlassen zu haben schien. An den Wänden und in Glaskästen prangten und lagen Hefte voll von Fußball-Erinnerungen, Panini-Alben, Jahres-Alben, einem Buchhalter abgetrotzte Bögen, die plötzlich als Fußball-Poesiealbum fungierten. Wo ist mein Panini-Album von 1982 hin verschwunden? Was geschah mit den Jahresalben meines Vaters? Wieso haben sich zwei mit sehenswerten Berichten vollgepfropfte Alben aus den Meisterjahren des Wiener Sportclub in Luft aufgelöst? Existieren sie vielleicht sogar noch irgendwo, und warten nur darauf, wieder aus den hintersten Winkeln hervorgeholt zu werden?
Ja, mit diesen wahnwitzigen Sammelleidenschaften von Fans wurde ich konfrontiert, und geriet ins Staunen. Viele Menschen, hauptsächlich Burschen und Männer, haben sich diesem Hobby verschrieben, und ein paar kleine Beispiele dafür konnte ich vor Ort besichtigen.

Nein, den Staubsauger wollte ich nicht hören, und auch nicht die Techniker sehen, die in der großen Halle herumgingen, mit Hämmern Nägel traktierten, und ansonsten gelangweilt in der Gegend herumstanden. Auf vier großen Leinwänden wurde „Spiel mir das Lied vom Tod“ gegeben, und eine Kongruenz in Form einer Fußball-Szene gesucht. Höhepunkte dieser Persiflage sind das Brutalo-Foul von Toni Schumacher, dessen Autobiographie (hat er die selbst geschrieben?) ich vor vielen Jahren gelesen habe, und der sensationell unbedeutende Siegestreffer der österreichischen Nationalmannschaft gegen die Bundesrepublik Deutschland in einer Stadt namens Cordoba.

Enormer Lärm belästigte meine Gehörgänge, während ich einen Film über ein Mädchen sah, das als Muslimin mit Kopftuch spielt, und von einer Karriere als Fußballerin träumt, die nur der Vater verhindern kann, wenn er auch noch darauf besteht, dass sie ihre Knie nicht herzeigen darf.

Es wusste wohl niemand, dass es einen Stock höher noch einen Teil der Ausstellung zu besichtigen gab. Dort liefen auch ein paar Filme ab. Die unglückliche und knappe 0:3 Niederlage des österreichischen Nationalteams gegen Deutschland wurde von einigen Kameraperspektiven aus gezeigt, was das Spiel auch nicht besser macht. Die Tragödien im Heysel-Stadion und in Hillsborough sind dokumentiert. Und ich werde Zeuge davon, dass sich doch noch – wenn auch bloß kurzfristig – zwei Menschen auf diese Ausstellungsfläche verirren, die sich jedoch bald als Mitarbeiter des Museums herausstellen.

Dreieinhalb Stunden habe ich in einer Ausstellung verbracht, die von erprobten Museumsbesuchern in einer knappen Stunde durchsprintet werden kann. Immer wieder verwundere ich mich darüber, wie schnell die meisten Menschen an mir vorüberziehen, und sich nicht mal die Mühe machen, genauere Informationen zu lesen und die ausgestellten Objekte abseits der Oberflächlichkeit zu betrachten. Ja, die Eindrücke ziehen vorbei wie eine kleine Ahnung von der großen Welt. Ich aber bin eingestimmt auf die Europameisterschaft und lasse es mir nicht nehmen, die kleinen Freuden eines österreichischen Fußballfans zu genießen. Die Ausstellung ist mittlerweile vielleicht sogar schon fertig gestellt, und es gibt keine Störgeräusche mehr. Dennoch rauschen die kleinen oder größeren Menschenmassen großteils unreflektiert durch die Hallen, oder handelt es sich nur um perfekte Körpertäuschungen?

Dienstag, 8. April 2008

Rudi Dutschke


Das vergangene Wochenende brachte mit sich, dass das Jahr 1968 medial intensiv behandelt wurde. Die österreichische Qualitätszeitung DER STANDARD beschäftigte sich mit den Ursächlichkeiten, Bestrebungen und Wirkungen revolutionärer Strömungen in Deutschland, Frankreich, Polen und den U.S.A. Österreich spielte nur eine marginale Rolle, welche in einem interessanten Bericht über den seinerzeitigen Rektor der Uni Wien beschrieben ward.

Der Kultursender 3 SAT widmete dem Jahr 1968 einen ganzen Tag, und als Höhepunkte sind wohl die Ausstrahlungen des Films „Rote Sonne“ von Rudolf Thome, einem Dokumentarfilm über Rudi Dutschke und – für mich besonders interessant – die Wiederholung eines legendären CLUB 2, in dem neben Rudi Dutschke sein Freund Daniel Cohn-Bendit mitwirkte, zu betrachten.

Geleitet wurde dieser CLUB 2 von Günther Nenning, der sich erstaunlich zurückhielt, und die soziologischen Ausführungen von Rudi Dutschke gerne über sich ergehen ließ. Cohn-Bendit erwies sich als enfant terrible, der gerne in einer Ecke der Ledercouch lümmelte, mit einer Geldmünze spielte (er warf sie in die Luft, trommelte mit ihr auf den Tisch, testete, wie oft sie sich nach mechanischem Antrieb um die eigene Achse drehen mochte), und seine pazifistische Einstellung mehrmals hervorhob.

Nicht nur, dass hiermit eine sentimentale Erinnerung an eine Zeit aufkam, in der im Fernsehen noch konstruktive Diskussionen stattfanden, ließ es sich Rudi Dutschke nach zweieinhalb Stunden nicht nehmen, einen Aspekt einzubringen, der durchaus als Quintessenz des Gespräches bezeichnet werden kann. Die Disputation, in welche (sonst wäre es keine Disputation gewesen) ein – wie er sich selbst bezeichnete – kleiner Professor, und ein kettenrauchender Journalist eingebunden waren, drehte sich oft im Kreis, und brachte die Themata Vietnam, Kapitalismus, Terrorismus, Gewalt, Öffentlichkeit und Tyrannenmord aufs Tapet. Freilich alles Faktoren, welche 40 Jahre später einem Großteil der Europäer bekannt sein müssten, wenn sie sich denn für diese Zeit interessieren.

Worauf ich aber abziele, ist die Quintessenz, die in einer ethischen Vorstellung gipfelte. Rudi Dutschke war nicht nur ein Studentenführer, und meinetwegen „Revolutionär“, sondern mehr noch ein Mensch, der die gesellschaftlichen Zustände sozialwissenschaftlich analysierte, und in diesem Kontext den Begriff der „Erwerbsarbeit“ kritisch definierte. Er bezog sich insbesondere auf die Arbeiter, welche mindestens 8 Stunden am Stück malochen müssten, und deren „Freizeit“ hauptsächlich dazu diente, sich von der schweren Arbeit zu erholen. Die Befreiung der Arbeiterschaft war ihm ein Anliegen, und er stellte die Frage in den Raum, ob denn das Leben tatsächlich nur aus Arbeit – und also Lohnsäckel heimbringen – bestehen könne? Reinhard P. Gruber schrieb ja einst, dass der „Arbeiter kein Arbeiter an sich sei“, und dies hängt natürlich mit der fehlenden Reflexion aufgrund der überbordenden, politisch festgelegten Bedeutung von Arbeit zusammen. Rudi Dutschke wollte, dass sich diese Arbeiter dahingehend befreien, dass sie ihrer beruflichen Tätigkeit keinen derart übertriebenen Stellenwert zubilligen. Leben besteht nicht nur aus Arbeit, womit er natürlich die Erwerbsarbeit meinte, sondern aus vielen wichtigen Aspekten, die in einem kapitalistischen System, wo der Leistungszwang immer mehr ausufert, nicht zum Tragen kämen.

Was seinerzeit von der „Intelligenz“ (wie es der kleine Professor titulierte) als Erkenntnis definiert worden war, entwickelte sich seitdem freilich ungehindert weiter, und treibt heute die seltsamsten Blüten. Der Kapitalismus wurde durch den Neoliberalismus verstärkt, und die Leistungsgesellschaften in Europa haben sich zu Hochburgen konstituiert, aus denen es kaum ein Entkommen gibt. Das Aufbegehren gegen Ungerechtigkeiten, die aus dem in den Arbeitsgesellschaften einverleibten Leistungsschemen entstehen, artikuliert sich heutzutage durch Gegner des Liberalismus, eine Bewegung wie ATTAC und in vermehrtem Maße durch Vertreter jener INTELLIGENZ, die dem kleinen Professor damals ein Dorn im Auge gewesen sein mochten. Ja, ich würde behaupten, dass es immer mehr Menschen gibt, die der kompromisslosen Arbeitsgesellschaft nicht hemmungslos zuarbeiten, sondern im Gegenteil wertvolle Aufklärungsarbeit leisten, indem sie wissenschaftlich fundierte Analysen erstellen, aus denen die Perversionen hervorgehen, welche sowohl Rudi Dutschke als auch Daniel Cohn-Bendit vor 30 Jahren im CLUB 2 anprangerten.

Es ist aus diesem Kontext gesehen unfassbar, dass ausgerechnet ein 23-jähriger Arbeiter – also ein Mitglied jener Berufssparten, die Dutschke unabdingbar „befreien“ wollte – das Attentat auf den Studentenführer beging, weil er offenbar nicht wusste, wie weit die Vorstellungen und Ziele seines Opfers gegangen waren.

Rudi Dutschke verstarb nur wenige Monate nach der Ausstrahlung dieses CLUB 2 an den Folgen eines epileptischen Anfalls, den er in seiner Badewanne erlitten hatte. Er ertrank hilflos.

Die Visionen von Rudi Dutschke haben sich nicht erfüllt, aber es kann ganz klar davon ausgegangen werden, dass er viele Menschen beeinflusst hat, und auch vierzig Jahre nach 1968 die Menschen, welche sich dazu berufen fühlen, nicht müde werden dürfen, Systemen die Stirn zu bieten, die Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen am Fließband produzieren.

Donnerstag, 3. April 2008

Liebeswahn

In "Liebeswahn" wird der Voyeurismus aus Kafkas "Gespräch mit dem Beter" zu einer Auseinandersetzung mit den Absurditäten und Perversionen des Talk-Show-Geschäfts."Eine junge Frau war sofort dabei, und erklärte mir, das Beten „megaout“ wäre. „Ich meine“, sagte sie. „Wer betet heutzutage schon noch? Wer ist so behämmert, wo auch immer zu beten?"

Die vierte Geschichte meines Kafka-Projekts ist nunmehr als Mobilebook erschienen.

Bestellbar über http://www.mobilebooks.com/content/view/1009/32/

Dienstag, 1. April 2008

Der Club der toten Autoren

Als ich die Ankündigung dieses Krimis in meiner Programmzeitschrift las, fiel es mir leicht, mich für die Sichtung zu entscheiden. Ähnlichkeiten mit meinem Lieblingsfilm „Der Club der toten Dichter“ gab es nur in marginaler Hinsicht. Eine Szene führte ein paar Nachwuchs-Autoren im Laufschritt über eine Wiese, allerdings war es nicht Nacht. Und es passierte eine unvorhergesehene Aktion eines Egomanen. Gott wurde allerdings nicht ans Telefon gebeten.

Der Krimi war alles in allem eine kleine Enttäuschung. Begann vielversprechend, und baute dann stark ab. Anlässlich eines Autorenfestivals sterben rasch nacheinander zwei Dichter eines unnatürlichen Todes. Den Sonderpreis des Festivals heimst schließlich eine alternde Diva ein, die bekennt, ein Pseudonym gewählt zu haben, das bald schon eine weitere Leiche abgeben wird. Ein fleischgewordenes Pseudonym mit unübersehbaren weiblichen Reizen, das ich jedoch anfangs für eine transsexuelle Figur gehalten hatte.

Wie dem auch sei: Barnaby, dem Inspektor, wird angetragen, selbst als Autor zu agieren. Er bräuchte nicht einmal selbst zu schreiben, sondern könne sich eines Ghost-Writers bedienen, der nur ein paar Stichworte und Handlungsknüpfpunkte bräuchte, um daraus einen ausgezeichneten Krimi zu stricken. Und damit könne man reich werden? Ein bejahendes Beispiel dafür treibt sich auf dem Autorenfestival herum…

Die dargestellte Schickimicki-Gesellschaft kann nicht ernsthaft ein Autoren-Kollektiv abgeben. Zu spröde, zu bieder, zu lachhaft konventionell agieren diese Ken und Barbie-Puppen, die sich (Nachwuchs)autoren nennen. Da haben Todd, Gale und Knox weit mehr drauf. Oder sind die Burschen erwachsen geworden und treten nun wie Beamte im Anzug auf, als hätten sie die Vergangenheit vergessen? Diese Frage kann getrost verneint werden. Jedoch wäre es gut zu erfahren, was denn tatsächlich aus Todd, Gale und Knox geworden, und wie es Mister Keating ergangen ist, nachdem er seinen Job als Lehrer verloren hatte? Todd wird das Grab seines besten Freundes Neal mit Sicherheit an jedem Todestag besuchen, und vielleicht tun es ihm die Kollegen und Mister Keating gleich…