Dienstag, 20. Mai 2008

Fußball-EM, Teil 3: Literaten unter sich

Im Vorfeld der Europameisterschaft kam es auf dem Sportclub-Platz zu einem Treffen von vier Literaten-Nationalmannschaften, die unter sich den Europameister ausmachen sollten. Teilnehmende Nationen waren Ungarn, Schweiz, Slowenien und Österreich. Ich war auf dieses Vier-Länder-Turnier schon sehr gespannt, zumal die Ungarn einiges zu bieten haben mögen. Vor einer leider recht mageren Zuschauerkulisse von höchstens 200 Zuschauern trafen am ersten Tag Ungarn und die Schweiz aufeinander. Fast eine Halbzeit lang konnten die Schweizer mit den Ungarn mithalten, ehe ein Doppelschlag (darunter ein herrlicher Freistoss) die Ungarn wie erwartet (mit 2:0) in Führung brachte. In der zweiten Halbzeit dann ein wahres Schaulaufen der ungarischen Literaten-Nationalmannschaft. Die Schweizer wurden letztlich etwas zu hoch mit 6:1 abgefertigt, und der Favorit hatte sich also durchgesetzt.

http://www.youtube.com/watch?v=RdPvSSNBX0Y

Im zweiten Spiel trat dann Österreich als klarer Favorit gegen Slowenien an. Ich war überrascht, wie gut die Slowenen mithielten. Manchmal lief das Spiel fast wie an der Schnur gezogen, nachdem in der Vorbereitung das Literaten-Nationalteam von Slowenien gegen Österreich noch 0:18 untergegangen war. Doch mitten im Spiel sorgte der Platzsprecher für das Ende meiner Verwirrung. Die Slowenen traten mit einer deutlich jüngeren Mannschaft an als angekündigt, und so war diese plötzliche Steigerung nachvollziehbar. Gegen die mit gezinkten Karten spielenden Slowenen waren die Österreicher dennoch drückend überlegen. Wie so oft endete das Spiel aber mit einer unglücklichen 1:2 Niederlage und damit war der Traum vom Gewinn der Literaten-Europameisterschaft für Österreich wohl ausgeträumt.



Der zweite Tag sorgte dann bei Dauerregen vor höchstens 100 Zuschauern zu zwischenzeitlichen Schlammschlachten. Der Torraum vor der blauen Tribüne mochte Schlammcatchern ein gutes Terrain bieten. Ja, und es wurde auch Fußball gespielt. Den Slowenen nutzten die gezinkten Karten gegen die Ungarn nichts, die auf dem tiefen Boden aber mehr Probleme hatten, als ihnen lieb war. Rasch waren die Favoriten mit 1:0 in Führung gegangen. Allerdings hatten sich zwei Slowenen gegenseitig gestört, und das Tor stand sperrangelweit offen. In der zweiten Halbzeit teilweise gefälliges Spiel der blutjungen Slowenen, die knapp vor Schluss eine Riesenchance versemmelten. Die Ungarn machten es besser und erzielten aus einem Konter das entscheidende 2:0. Von den Spielanteilen her gesehen wäre vielleicht auch ein Unentschieden nicht überraschend gewesen. Doch die Ungarn erwiesen sich als kaltschnäuziger und im Spielaufbau konstruktiver.

Das zweite Spiel der Österreicher, diesmal gegen die Schweiz, geriet zu einem Desaster. In der ersten Halbzeit waren die Verhältnisse noch ausgeglichen. Nach einem Freistoßtreffer der Schweiz traf Michael Hansel mit einem herrlichen Freistoss zum zwischenzeitlichen Ausgleich. Noch vor der Pause nach schönem Doppelpass gingen die Schweizer in Führung, und in der zweiten Halbzeit hatten die zum Teil hilflos wirkenden Österreicher gegen die Schweizer nicht den Funken einer Chance. Angriff auf Angriff rollte auf das Tor der Österreicher zu. Franzobel erwies sich als rechter Verteidiger wenig einsatzfreudig, und wurde ständig von der Armada überlaufen. Das Endergebnis von 5:1 für die Schweiz war auch in dieser Höhe verdient. Bei den Österreichern hatte einzig Michael Hansel sein ballesterisches Können ein wenig andeuten können.

Keiner konnte es nach dem Desaster der Österreicher wissen, aber damit war die Literaten-Europameisterschaft auch schon beendet. Der dritte Tag, welcher das mit Spannung erwartete Spiel der hochfavorisierten Ungarn gegen Österreich bereit gehalten hätte, musste wegen Dauerregens abgesagt werden. Der vierte und letzte Platz wäre für Österreich jedoch ohnehin nicht zu retten gewesen. Selbst ein Sieg gegen die Ungarn hätte daran nichts geändert. Seinerseits standen die Ungarn grundsätzlich schon nach zwei Spielen so gut wie als Europameister fest.

Schade, dass es nicht zum finalen Showdown kam. Ungarn krönte sich also verdientermaßen zum Literaten-Europameister, und ließ die Schweiz und Slowenien hinter sich. Österreich hatte nur in der zweiten Halbzeit gegen die Slowenen überzeugen können. Diese Veranstaltung hätte sich weit mehr Zuschauer verdient, zumal es ja keine Selbstverständlichkeit darstellt, Autoren auf die Füße zu schauen… Ach ja, abgesehen vom Großteil der österreichischen Autoren sind mir bislang keine Autoren aus den anderen Nationalkadern bekannt. Vielleicht mache ich mich mit dem einen oder anderen Buch dieser wackeren Burschen noch vertraut…

Montag, 5. Mai 2008

Maligner Narzissmus

Die ungeheuerlichen über 24 Jahre gehenden Untaten eines von seiner unmittelbaren Umwelt vorwiegend als Tyrann deklarierten mittlerweile 73-jährigen Mannes sorgen nicht nur regional, sondern sogar international für Aufsehen. Fast täglich werden neue Details bekannt, und Diskussionssendungen in Fernsehen und Radio stehen an der Tagesordnung. Vorwiegend wird über die Rollen des Jugendamtes, der Kriminalpolizei, der Nachbarn, der Bekannten, der Freunde, der Familie gesprochen, ohne dass dabei etwas Zählbares herauskäme.

Eine wahre Wohltat ist es, dem Kriminalpsychologen Thomas Müller zuzuhören, der insbesondere in einer Radiosendung Tacheles redet. Auf das Thema Narzissmus angesprochen hat er mit nur wenigen Worten die ganze Grausamkeit des Falles, welcher sich in Amstetten zutrug, und ungeheures Leid über die Opfer gebracht hat, erklärt. Menschen tendieren grundsätzlich dazu, sich selbst zu erhöhen, und tun dies im „Normalfalle“ durch Taten und äußere Darstellungen, die anderen Menschen möglicherweise bessere Wirkungen suggerieren. Die Eine trägt schöne Kleider, der Andere sieht sein Konterfei auf dem eigenen Buch. Diese Selbsterhöhung hat freilich auch etwas mit Eitelkeit zu tun, jedoch ebenso damit, dass der Mensch danach strebt, mehr zu sein, als er vielleicht vorläufig ist. Irgendwie spielt da sicher der Minderwertigkeitskomplex eine Rolle, der ja angeblich in der Psyche des Menschen existent ist, und überwindet zu werden versucht (wenn von spezifischen psychologischen und therapeutischen Schulen ausgegangen wird).

Narzissmus ist also keineswegs negativ, sondern dient dem persönlichen Befinden des „Trägers“ dieser Eigenschaft. So weit, so gut. Thomas Müller beschrieb den mir bis dahin unbekannten malignen Narzissmus, der sich dadurch kennzeichnet, dass er bösartig ist. Maligne Narzissten neigen nämlich dazu, sich nicht durch Leistung, Darstellung oder ähnliches selbst zu erhöhen, sondern vermögen dies nur, indem sie andere Menschen erniedrigen, beleidigen, vergewaltigen, psychisch unter Druck setzen, beherrschen, und im Extremfall töten. Der maligne Narzisst will vollkommene Macht und Kontrolle auf Menschen ausüben. Er ist in emotionaler Hinsicht extrem kalt, und hat stets nur seinen eigenen Vorteil im Sinn, der durch die Machtkontrolle maximiert zu werden versucht. Der Mann aus Amstetten, der seine eigene Tochter 24 Jahre lang in einem Verlies gefangen hielt, sie immer wieder vergewaltigte, sodass es auch zur Zeugung von sieben Kindern kam, und seine „sonstige“ Familie mit seinem Despotismus Tag für Tag davon abhielt, auch nur für einen Moment aufzumucken, ist ein Paradebeispiel eines malignen Narzissten. Für einen kurzen Moment entglitt ihm die Kontrolle über seine Tochter, und er „erlaubte“ ihr, ihr Kind einem Spital zu überantworten. Ansonsten wären die im Keller hausenden Menschen nie in die Freiheit gelangt…

Dieser von Thomas Müller beschriebene maligne Narzissmus ist keineswegs so selten, wie es dieser Fall darstellen mag. Hierbei handelt es sich noch dazu um einen Extremfall. Wer aber zum eigenen Vorteil über Leichen geht, Existenzen vernichtet, Menschen ohne Skrupel in die Armut schickt, Ausbeutung und psychischen Druck praktiziert, ist das nicht ein fast schon alltäglicher Fall von Wahnsinn? Längst schon ist bewiesen, dass viele sogenannte „Manager“ psychopathologische Persönlichkeitsstrukturen aufweisen, die sicher häufig auch in malignen Narzissmus ausarten mögen. Die kompromisslose Unart, der eigenen Karriere alles zu opfern, ist kein Einzelfall, sondern häufig die Regel. Auch Sektengurus vermögen es, labile Menschen mit ihrer „Einzigartigkeit“ zu blenden, und den Menschen vorzuspielen, dass sie der „Nabel der Welt“ sind. Der Turbokapitalismus, die immer weiter aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich, die überall auf der Welt mehr oder weniger bestehenden gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Strukturen belegen – leider – eindrucksvoll, dass der maligne Narzissmus sehr stark ausgebreitet ist, und der Teufel an allen Ecken und Enden der Welt seine grauenhafte Fratze zeigt. Der Fall von Amstetten ist nur ein weiterer Beleg dafür, dass es für diese Form des Irrsinns offenbar keine Grenze gibt. Hat sich diese Form des Narzissmus im Laufe der Evolution der Menschheit fortentwickelt, und ist nun in der Neuzeit stärker ausgeprägt als je zuvor? Heute ist der Tag, wo den Opfern der Nazis in Mauthausen gedacht wird. Die Persönlichkeitsprofile der Nazis sind wohl die markantesten Beispiele für einen extrem ausgeprägten – und gesellschaftlich zeitweilig etablierten - malignen Narzissmus, der noch dazu – so scheint´s, „ansteckend“ gewesen ist, und auch heute noch Menschen jeden Alters anzuziehen vermag …