Freitag, 8. August 2008

Olympia-Tagebuch, Teil 1: Zhang Yimou

Die Europameisterschaft in Wien ist vor etwas mehr als einem Monat zu Ende gegangen, und schon geht es mit einem weitaus aufwändigeren Sportfest weiter. Ich bin an und für sich kein Fan von Eröffnungsveranstaltungen. Und der zweistündige Einlauf der Nationen ist so ziemlich das Langweiligste, was an einem sonnigen Sommertag per Television zu verfolgen wäre. Habe ich auch nicht getan. Was ich mir aber nicht entgehen lassen wollte, war die Bühnenshow, für die der Regisseur Zhang Yimou hauptverantwortlich war.

In den 1990´er Jahren gelangen dem Mann mit „Rote Laterne“, „Leben“, und „Die Geschichte der Qiu Ju“ gleich drei ausgezeichnete Filme. Die anderen Regiearbeiten von Yimou finde ich nicht so überragend, weil er dem Action-Kino zuviel Gewicht zuordnete. Umso gespannter war ich darauf, die Eröffnung der olympischen Spiele zu sehen, und mir ein Urteil darüber zu bilden.

Der Aufwand der Show muss superextrem gewesen sein. Abgesehen von den monströsen Kosten zeigten ein paar Tausend Mitwirkende außerordentliche Leistungen. Von den einzelnen Abschnitten her gesehen gab es keine Mängel zu bemerken. Wie ein unermüdlich arbeitendes Uhrwerk reihte sich Attraktion an Attraktion. Beginnend mit 2008 Trommlern zog sich die Show bis zu einer Klaviersonate hin, die Lang Lang intonierte. Beeindruckend die lebendigen Schriftzeichen, der Gleichklang der Trommler und die leuchtenden Frauen und Männer. Zhang Yimou war es wichtig, die Harmonie darzustellen. Dennoch wirkten die Bühnenelemente teilweise richtig bieder. Die auf der Plattform einer „Weltkugel“ stehenden Sänger wären auch lieber am Boden der Tatsachen geblieben.

Merkwürdig am Ende dann eine Aktion, die nicht unbedingt von Zhang Yimou auserkoren worden sein muss. Der letzte Träger der olympischen Fackel wird mit einem Seilzug in die Höhe verbracht, und läuft dann mit gleichmäßigem Tempo die 360 Grad einer „Leinwand“ ab, ohne die Fackel zu verlieren. Höhenangst kannte der Mann keine! Dass gleichzeitig die Stationen des Fackellaufes projiziert wurden, machte diese Angelegenheit fast makaber. Im Vorfeld hatte es einige Proteste wegen der Tibet-Politik von China gegeben.

Zhang Yimou stellte die Geschichte Chinas anhand der fünf Dynastien dar, er bezog Kinder in die Show ein, und insgesamt hatte die Inszenierung durchaus Charme. Angesichts der Kosten, die allein diese Show verursacht haben muss, sollte allerdings jedem Fernsehkonsumenten bewusst sein, dass dies mit Sport nichts mehr zu tun hat. Eine Sportveranstaltung, von der nur wenige Menschen (jene Sportler, die erfolgreich sind) profitieren, und die andererseits schon im Vorfeld den Tod einiger Menschen beim Baum des „Vogelnests“ zu beklagen hatte.
China hat sich diese olympischen Spiele extrem viel kosten lassen, und sehr viele Menschen müssen nach wie vor zu Hungerlöhnen arbeiten, werden von ihren „Arbeitgebern“ ausgenutzt, und von Urlaub oder bezahlten Überstunden kann keine Rede sein.

Kein kritisches Wort fiel während der Übertragung. Und es ist zu bezweifeln, dass es mehr als leise Aufschreie geben wird. Es geht nicht nur um die Tibet-Politik, sondern um viel mehr. China bricht täglich in ungeahntem Maß Menschenrechte, und praktiziert die Todesstrafe in gespenstischem Ausmaß. Nun lässt es sich also nicht ändern. Peking richtet die olympischen Spiele aus, und es werden wunderbare sportliche Wettkämpfe sein. Zhang Yimou hätte ein Wort des Protests gar nicht in seine Show einbringen können. Der Regisseur war sich sicher bewusst, dass er eindeutige Richtlinien einhalten musste. Leider ist die Show zu perfekt gelungen. Ein geradliniges Spektakel ohne Makel.

Keine Kommentare: