Samstag, 9. August 2008

Olympia-Tagebuch, Teil 2: Tränen und Patriotismus

Gleich am ersten Tag der olympischen Spiele brachte der Judoka Paischer das österreichische Team in die Nationenwertung. Er eroberte Silber nach einer Niederlage durch Ippon gegen den kleinen Koreaner Choi Minho.

Schon 2004 in Athen hatte Paischer gegen Choi Minho zu kämpfen gehabt. Im allerersten Kampf unterlag der Österreicher dem Koreaner nach nur wenigen Sekunden. Vier Jahre später schien der Kampf ausgeglichen zu sein, bis Choi Minho mit einem Geniestreich der fünfte Ippon an diesem Tag gelang, wodurch der Olympiasieg besiegelt ward.

Mit dem Koreaner brachen die Gefühle durch, als er seines Olympiasieges gewahr geworden war. Auch etwa eine Stunde später bei der Siegerehrung rang er mit den Tränen. Nach Bronze 2004 holte er nunmehr verdientermaßen Gold, was sein Kontrahent im Finalkampf, Ludwig Paischer, anerkannte.

Die olympischen Spiele haben nicht den einzigen Zweck, auf die Athleten des jeweiligen Heimatlandes zu schauen, und diesen die Daumen zu drücken. Patriotismus ist ganz gut und nett, aber was haben die zuschauenden Österreicher davon? Wie bei jedem anderen Sport ist es der Wettkampf, der für Spannung sorgt. Es möge der Beste gewinnen. Doping hin, Doping her. Bei allen Sportarten, wo es nicht – auch - auf Material und perfekt ausgefeilte Technik ankommt, sondern ausschließlich auf die Leistung des Einzelnen, ist die Spannung greifbar nahe. Judo ist eine jener Sportarten, die „falsche“ Sieger buchstäblich ausschließt.

Eine junge Dame, Frau Dumitru aus Rumänien, war den Tränen wie ihr Kollege Choi Minho bei der Siegerehrung sehr nahe. Sie holte den Olympiasieg im Judo in der Klasse bis 48 Kilo. Choi Minho durfte 11,99 Kilo mehr auf die Waage bringen. Die Freude, ein Ziel erreicht zu haben, womit vielleicht gar nicht mal besonders spekuliert worden ist, war den Gesichtern der beiden sympathischen Olympiasieger abzulesen. Und der in Österreich lebende bzw. Österreich als Heimatland bezeichnende Fernsehkonsument darf sich ruhig auch mit Menschen aus anderen Nationen als der eigenen mitfreuen. Schließlich sollte der olympische Gedanke des friedlichen, Völker verbindenden Miteinanders keine Worthülse, und der Medaillenspiegel nicht dafür verantwortlich sein, wie sich der seiner Heimat verbundene Mensch fühlen darf.

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