Dienstag, 16. September 2008

Der Schüler Gerber


Heute ist der 100. Geburtstag von Friedrich Torberg, wobei der Autor diesen Festtag nicht erleben darf.

Ich verbinde mit dem begnadeten Schriftsteller in erster Linie seinen in sehr jungen Jahren geschriebenen Roman „Der Schüler Gerber“. Diese ausgezeichnete Geschichte stellt die Repressalien dar, der ein junger Mann in der Schule ausgesetzt ist. Ein Lehrer namens Kupfer setzt den Schüler Gerber so sehr unter Druck, dass er schließlich als letzten Ausweg den Selbstmord wählt.

Was in der Lebenswelt von Friedrich Torberg Lehrer gewesen sein mögen, die einen „Göttlichkeitsstatus“ aufweisen konnten, hat sich heutzutage längst in eine andere Richtung entwickelt. Nicht wenige Lehrer klagen jetzt über Handgreiflichkeiten und Psychoterror von Schülern. Schon zu meiner Schulzeit gab es immer wieder grobes Fehlverhalten von Zöglingen zu beobachten, die insbesondere Schüler piesackten, welche auf irgendeine Weise nicht in die Gesamtstruktur der Klassengemeinschaft passen sollten. Eine weitere Steigerung der Vorgangsweisen desillusionierter Schüler ist längst an der Tagesordnung.

Mobbing gegenüber Klassenkameraden, das oft dahin führt, dass die betroffenen Schüler gar nicht mehr die Schule besuchen wollen, ist keine Seltenheit. In einer Konsumgesellschaft, die Markenartikel zu Götzen erhebt, ist jeder noch nicht ausgewachsene Mensch als „Verlierer“ anzusehen, der bei der Kultivierung des Konsums nicht mitmacht oder – was wohl häufiger vorkommt – nicht mitmachen kann.

Die strenge Hand eines Lehrers, der ungehorsamen Schülern Strafen auferlegt, würde heutzutage für einen Skandal sorgen. Erst gestern aber wurde ich Zeuge eines Gesprächs zwischen zwei vielleicht 13-jährigen Mädchen, die sich gegenseitig schimpften und niedermachten, dass es eine „helle Freude“ war. Offenbar der übliche Ton, und nur eine Vorstufe der viel später möglichen Eskalation.

Friedrich Torberg, der auch ein ausgezeichneter Wasserballer bei der Hakoah war, bräuchte sich Anfang des 21. Jahrhunderts keine Sorgen darüber zu machen, gesellschaftsrelevante Themen aufzuzeigen. Der Irrsinn des Konsumismus, und die schon in Schüler-Köpfen eingeschraubte Vergötzung von Konsumgütern führt zu unfassbaren Zuständen in zahlreichen Schulen nicht nur in Österreich. Es gibt auch schon Sachbücher zu dieser Thematik, doch ein Roman, der in diesem Milieu spielt, und den Wahnsinn literarisch darstellt, könnte wohl nur Friedrich Torberg in angemessener Art und Weise gelingen.

Mit „Der Schüler Gerber“ hat er einen grandiosen Roman hinterlassen.

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