Samstag, 4. Oktober 2008

Leben ohne Internet?

An den meisten Tagen des Jahres schalte ich zumindest ein bis zwei Mal den PC ein. Hauptgrund ist hierbei die Auseinandersetzung mit dem Internetz. Ich prüfe meine E-Mails, setze mich mit Foren auseinander, halte in einigen Netzwerken Nachschau, informiere mich über Neuigkeiten in Politik, Sport und Wirtschaft, und halte mich überhaupt mit Web 2.0 auf Trab. Hinzu kommen hie und da noch allerlei sonstige Aktivitäten von Podcasts über Online-Filme bis zu Hintergrund-Informationen über Fernsehsendungen.

Also, das Internetz ist offenbar aus meinem Leben nicht wegzudenken… Dabei ging es in meinem Fall bis Ende des Jahres 1999 problemlos auch ohne dieses Medium. Ist das Internet tatsächlich so wichtig, dass Tag für Tag eine Konfrontation unausweichlich bleiben mag? Tatsache ist, dass mittlerweile Unmengen an Geld von Internet-Unternehmen verdient werden. Und manche Geschäftsleute sind damit unermesslich reich geworden, wenn ich etwa an die Verantwortlichen von Google denke. Andererseits treiben nicht wenige Menschen Schindluder mit diesem Medium. Kinderpornographie ist hierbei die schrecklichste Form der Geschäftemacherei. Sexseiten boomen, und wer mal irrtümlich auf irgendeine Werbung geklickt hat, die wo auch immer mit Sicherheit auftaucht, wird wenig später mit Spam-Mails eingedeckt.

Eine Möglichkeit, die das Internet bietet, und von zahlreichen Menschen genutzt wird, ist das Web-Tagebuch. Hier gilt, dass jene User die meisten Clicks generieren, die möglichst „sensationelle“ Einträge verfassen. Wer sein Privatleben bis in intimste Details offen legt, kann damit rechnen, sehr viel gelesen zu werden. Dafür gibt es eine Menge Beispiele, die ich freilich nicht anführen will. Als Autor neige ich nicht dazu, Details aus meinem Leben zu verraten. Ich will nicht mehr und nicht weniger als eigene Anschauungen und Vorstellungen beschreiben. Watzlawick und die Konstruktivisten sind von der „erfundenen Wirklichkeit“ überzeugt, und meine Leser erhalten einen kleinen Einblick in meine Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit wiederum bildet sich ausschließlich in meinem Kopf ab. Wenn ich darauf aufmerksam mache, dass ich eine Affinität zu einem anderen Autor oder einem bestimmten Buch habe, nehme ich meine Leser mit in diese Gedankenwelten. Und mehr soll ein Internet-Tagebuch meiner Meinung nach auch nicht sein. Die Leser können an meinen Gedankenwelten teilhaben. So etwa auch daran, dass ich momentan ziemlich verärgert darüber bin, dass der Online-Vorverkauf der Viennale offensichtlich zwei besonders interessante Filme, nämlich „Malina“ und „Let´s make money“ ignoriert. Das Internet sollte die Möglichkeit bieten, bei schnellem Zugriff gleiche Chancen zu haben, etwa an Karten für Kinofilme oder Konzerte heranzukommen, für die es sonst selbst bei stundenlangem Schlange stehen nahezu unmöglich wäre, in deren Besitz zu gelangen. Es ist in Ordnung, wenn die Karten von vor den Vorverkaufsstellen die Nacht vorher campierenden Menschen zuerst ergattert werden. Das aber Karten für manche Filme offenbar im Online-Vorverkauf gar nicht erst angeboten werden, empfinde ich als Frotzelei am Stammkunden und somit auch an mir.

Wie auch immer: Ein Web-Tagebuch bietet also die Möglichkeit, euch, meine Leser, an meinen Gedankenwelten teilhaben zu lassen, und das ist schon eine wunderbare Errungenschaft. Manche Web-Tagebuchschreiber verfahren mit ihrem Web-Tagebuch so, als handle es sich um eine privat-öffentliche Angelegenheit. Nun gut, wer mag, soll dies tun. Die Chancen auf eine hohe Clickanzahl steigen dadurch exponentiell. Tatsache aber ist, dass ein Web-Tagebuch, insofern es nicht durch ein Passwort geschützt ist, von jedem Menschen gelesen werden kann, der es im Internet-Dschungel entdeckt. Und es sollte sehr wohl darauf Bedacht genommen werden, nicht das eigene Leben detailreich abzubilden. Ein Tagebuch der herkömmlichen Form ist ein persönlicher Ansprechpartner, und in manchen Fällen kann es als literarisch wertvoller Befund den Menschen ans Herz gelegt werden. Ich denke etwa an die Tagebücher von Anne Frank, Viktor Klemperer und Franz Kafka. Ein Internet-Tagebuch als Repräsentationsfläche für intime Details zu benutzen ist sehr fragwürdig. Ich verweigere mich auch erfolgreich, derartige entdeckte Tagebücher dauerhaft zu lesen. Diesbezügliche Einträge können nämlich ganz schön erschreckend sein. So, als ob ein Mensch dich einlädt, durchs Schlüsselloch zu schauen, und dann öffnet er die Tür sperrangelweit.

Und um noch kurz darauf zurückzukommen, ob für mich ein Leben ohne Internet möglich ist? Tut mir leid, ich habe keine Zeit, jetzt noch eine Antwort darauf zu formulieren. Ich habe es eilig. Ich muss nämlich ins Internet. Und das sofort.

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