Mittwoch, 29. Oktober 2008

Nationalsport

Die Skisaison hat wieder begonnen, und der ORF bringt die diversen Rennen der Profis wie jedes Jahr perfekt ins Bild. Es gibt keine Ausnahme von der Regel, außer wenn ein Bildausfall die Idylle stört.

Skifahren ist des Österreichers Breitensport. Tausende von Unfällen und Spitalsaufenthalten belegen eindrucksvoll, dass nur die Wenigsten diese Sportart beherrschen mögen. Doch sie wedeln die Pisten hinunter, und lassen sich auch von Unfällen nicht unterkriegen. Der Grund für die Überpräsenz im ORF hängt von den Erfolgen ab. Kein anderer TV-Sender zeigt eine so ausführliche Berichterstattung. Also ist Skifahren Nationalsport?

Auch die Sportart Fußball wird vom ORF intensiv dargestellt. Jedes noch so uninteressante Spielchen wird gezeigt. Zum Unterschied zum Skifahren gibt es jedoch kaum mal einen Erfolg eines Vereins oder gar der Nationalmannschaft zu bewundern. Hingegen gibt es eine Pleite nach der anderen zu sehen. Dennoch hält der ORF eisern an seinem Publikumsauftrag fest. Also ist Fußball Nationalsport?

Tatsache ist, dass Skifahren und Fußball Sportarten sind, die von relativ vielen Menschen in Österreich ausgeübt werden. Dabei spielt es keine Rolle, wie gut die sportlichen Fähigkeiten ausgeprägt sind. Skifahren war immer ein guter „Boden“ für nationale Erfolge österreichischer Sportlerinnen und Sportler. Fußball hat hingegen einen besonderen Stellenwert, weil die Geschichte dieses Sports maßgeblich von Österreichern beeinflusst worden ist. In den Anfangsjahren dieses Sports spielte Österreich eine Vorreiterrolle, von der natürlich jetzt nicht mehr die Rede sein kann. Während es logisch erscheint, dass österreichische Skifahrerinnen und Skifahrer als Profis Erfolge einheimsen (das Land der Berge hat hier Heimvorteil), ist es im Falle des Fußballs die Erinnerung an bessere Zeiten, und damit ist nicht das leidige Thema Cordoba gemeint.

Was beide Sportarten eint, ist der provozierte Patriotismus seitens eines gewissen Teils der österreichischen Bevölkerung. Wie groß dieser Anteil sein mag, kann nur geschätzt oder vermutet werden. Ich für meinen Teil finde wenig Gefallen daran, irgendwelchen österreichischen Sportlerinnen und Sportlern zuzujubeln. Jeder Einzelne erbringt seine Leistung, im Fußball auch im Kollektiv. Die Nationenwertung im Profi-Skifahren gewinnt immer Österreich, und das österreichische Fußballnationalteam ist mittlerweile zur Lachnummer verkommen, die froh sein kann, auf den Färöer wenigstens einen Punkt ergattert zu haben.

Es bereitet mir Vergnügen, sportliche Leistungen zu verfolgen. Ich mache dies jedoch von keiner Nationalität der Sportler abhängig. Der Radsport hat vielleicht in Österreich einen Knacks erlitten, weil Herr Kohl gedopt hat, doch das hebt die Welt nicht aus den Angeln. Im Radsport geht nicht erst seit gestern einiges nicht mit rechten oder linken Dingen zu.

Der Wettbewerb, welcher von Menschen bestritten wird, hat immer viele Menschen angezogen. Das gilt geschichtlich verbürgt. Anderen Menschen zuzusehen, wie sie sportliche Leistungen erbringen, lässt ein Mauerblümchen-Dasein führende Zuschauerinnen und Zuschauer zu Rabauken, Fanatikern oder einfach Mitfühlenden werden. Das ist gut so, weil es auch ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt. Doch kann nur ein – aus welchen Gründen auch immer entstandener – Nationalsport dieses Gemeinschaftsgefühl verursachen? Kann es nicht möglich sein, abseits von Pisten, Fußballplätzen und als imaginäres Publikum vor dem Fernseher solidarische Gefühle zu empfinden? Einfach zum Nachdenken…

1 Kommentar:

Vera hat gesagt…

Das Skifahren ist tatsächlich sehr beliebt in Österreich. Trotzdem hatte ich Glück und konnte im Urlaub im Osttirol Hotel im angrenzenden Skigebiet ungestört die Pisten befahren. Die Bedingungen dort sind auch einfach toll.