Montag, 30. Juni 2008

Fußball-EM, Teil 10: Das Wunder von Wien

Vor der EM ist nach der EM. Nur eineinhalb Stunden nach dem Europameistertitel der galant aufspielenden Spanier wiederholte das österreichische Fernsehen jenen Film, der als Persiflage die Unmöglichkeit vorwegnahm, dass das österreichische Fußballnationalteam in der Lage sei, den Europameistertitel zu holen. Doch hinter dieser äußerst witzigen Dokumentation, an der sich zahlreiche Sportjournalisten, Ex-Fußball-Profis, und insbesondere Trainer und Funktionäre aus Österreich, Deutschland und Polen als Schauspieler beteiligten, steckte ein Körnchen Wahrheit.

Was nämlich hätte passieren können, wenn das Team Österreichs einen durchschlagskräftigen Stürmer wie den im Film gnadenlos umschwärmten Hruska tatsächlich im Kader hätte? Das Problem des österreichischen Teams war nämlich keineswegs zu wenig Fantasie, taktische Umsetzung oder Nervosität ob des Heimvorteils…
Es fehlt eindeutig ein Stürmer mit Weltklasse-Format, der dazu in der Lage ist, ein Spiel mit seiner Präsenz zu entscheiden. Gegen Kroatien, Polen und Deutschland wären leicht 5 Punkte, und im besten Fall also der Aufstieg ins Viertel-Finale möglich gewesen, gäbe es einen unbändigen Stürmer wie Hruska.

So verabschiedete sich das Team schnell vom Turnier, und es kam, wie es oft kommt: Die Deutschen profitierten von der für sie günstigen Auslosung, und kämpften sich mit Glück und Tücke bis ins Finale vor. Die Spanier zeigten außer gegen Italien ausgezeichnete Leistungen, und hätten Deutschland im Finale eigentlich zerlegen müssen. Der Europameister-Titel für die solange bei großen Turnieren erfolglosen Spanier ist absolut verdient.

Überhaupt war es ein Turnier der offensiv orientierten Mannschaften. Neben den Spaniern zeigten die Russen und die Holländer herrlichen Fußball. Das Pech war nur, dass schon im Viertelfinale eines dieser drei Teams ausscheiden musste.

Das Fazit dieser Europameisterschaft ist nicht nur, dass das prognostizierte „Wunder von Wien“ nicht zustande kam. Es bestätigten sich viele Regeln, und am Ende konnte sich doch ein Team zum Europameister krönen, das Fußball nicht nur kampfkräftig betreibt.

Vor der EM ist nach der EM. Einmal war Österreich dabei, und dabei wird es wohl lange bleiben. Wir Österreicher konnten im eigenen Land eine historische Situation beobachten, und miterleben, von der wir den Nachgeborenen noch in Jahrzehnten erzählen werden…

Freitag, 27. Juni 2008

Fußball-EM, Teil 9: Vom Gesetz der Serie

Als die Spanier im Viertel-Finale auf die Italiener trafen, gab es sicher nicht viele Fußball-Fans, die an einen Sieg der Spanier glaubten. Zu lange war es her, dass Spanien bei einem Großereignis den Italienern gewachsen waren. Auch in diesem Spiel sah es bis zum Elfmeter-Schießen so aus, als ob sich am Gesetz der Serie nichts ändern würde. 88 Jahre!!! waren vergangen seit dem letzten großen Sieg der Spanier gegen die Italiener, und nun?
Ich hatte eine Vorahnung, dass sich diesmal die Geschichte ändern würde. Die Spanier hatten wie fast immer gegen Italien dominiert, weit mehr Spielanteile und Torchancen. Italien brachte in vier Spielen kein einziges Tor aus dem Spiel zustande.

Und meine Vorahnung bestätigte sich. Die Spanier setzten sich gegen Italien ausgerechnet im Elfmeter-Schießen durch. Ich weiß nicht, wie lange es her gewesen ist, dass Spanien überhaupt im Elfemeter-Schießen siegreich war. Dieser historische Sieg der Spanier war sicher die Initialzündung für das Spiel der gegen die Holländer fantastisch aufspielenden Russen. In der Vorrunde waren die Russen noch naiv in Konter gelaufen, diesmal aber spielten die Spanier nach einer ausgeglichenen ersten Hälfte groß auf. Der Spielmacher Arschawin war völlig abgemeldet, und in der zweiten Halbzeit marschierten die Spanier immer wieder mit Vollkraft Richtung gegnerisches Tor. Die Tore waren nur eine Frage der Zeit, und die Russen kamen erst beim Stand von 0:3 zur einzigen großen Tor-Gelegenheit.
Ein absoluter Sieg der Spanier gegen meinen sentimentalen Favoriten Russland.

Vom Gesetz der Serie her betrachtet ist die Chance groß, dass Deutschland nach bislang durchwachsenen Leistungen – wieder mal – ein großes Finale gewinnt. Der Sieg gegen die Türken war sehr glücklich zustande gekommen. Immerhin hatte aber kein Schiedsrichter in dieses „Glück“ eingegriffen, wie es im Viertel-Finale der Fall gewesen war.
Das die Türken nach drei Siegen in letzter Minute in Folge gegen Deutschland NICHT in der letzten Minute ausgleichen würden, war mir von vornherein klar. Wann hat denn Deutschland das letzte Mal ein wichtiges Spiel in letzter Minute verloren? Eben. Der Sieg in letzter Minute bestätigte die Regel… Aber, Moment mal, und was war mit Italien 2006? Dieser Sieg erfolgte NICHT in letzter Minute, sondern zeichnete sich die ganze Verlängerung hindurch ab.

Wird Spanien ein weiteres Mal das Gesetz der Serie durchbrechen, und Europameister werden? Aufgrund der hervorragenden Leistungen – mit Ausnahme des Spiels gegen Italien natürlich – ist den Mannen alles zuzutrauen. Deutschland hatte als Turniermannschaft schon oft das Glück auf seiner Seite. Angefangen vom ersten WM-Titel gegen um drei Klassen stärkere Ungarn, über den ungerechtfertigten Elfmeter 1990, der ihnen gegen Argentinien den WM-Titel bescherte, bis zum EM-Titel 1996, als sie im Finale gegen bessere Tschechen durch ein Eiergoal höchster Güte gewannen.
Jede Serie – und wenn sie noch so kurios ist – kann durchbrochen werden. In diesem Sinne freue ich mich auf das Finale, und hoffe, dass die Spanier ihren Höhenflug gegen Deutschland fortsetzen können.

Ein kleines Detail am Rande: Im Schülerliga-Finale Österreichs besiegte die Polgarstraße im Finale Eisenstadt mit 5:3. Die Wiener Schule hatte zuvor in sechs Endspielen nur einmal gewonnen. Wenn das kein gutes Omen für Sonntag ist…

Montag, 23. Juni 2008

Fußball-EM, Teil 8: Schiedsrichter

Sie sind ja die Buh-Männer der Nation, die durch deren Fehlentscheidungen benachteiligt werden. Ich verfolge diese Fußball-Europameisterschaft sehr aufmerksam, und nicht nur ich bin der Auffassung, dass die Schiedsrichter teilweise katastrophale „Leistungen“ bieten. Sollte von sogenannten „Profis“ nicht mehr als höchstens „Durchschnitt“ erwartet werden?

Ich verzichte mal auf einen Rückblick auf die Vorrunden, wo das österreichische Fußball-Nationalteam auch nicht gerade begünstigt wurde. Mir geht es nunmehr ausschließlich um die Schiedsrichter-Leistungen in den Viertelfinal-Spielen. Immerhin ist davon auszugehen, dass die Leiter dieser Spiele aufgrund der vorhergegangenen Leistungen ausgewählt worden sein müssen, und somit ihren Job besonders gut machen mögen?

Also, erstes Viertelfinale Deutschland gegen Portugal. Der Schwede Peter Frjöjfeldt hatte im Spiel Holland gegen Italien eine vielen Beobachtern dieses Spiels erstaunliche Entscheidung getroffen. Er anerkannte den Führungstreffer der Holländer, weil ein Spieler, der außerhalb des Feldes darniederlag, das Abseits aufhob. Wie später bekannt wurde, lag er mit dieser Entscheidung richtig, und er hat die Regelkunde also gut umgesetzt. Beim Viertelfinal-Schlager hingegen sorgte er für zumindest zwei Fehlentscheidungen. Es stand 2:1 für Deutschland, als Deco den vermeintlichen Ausgleich für die Portugiesen erzielte. Frjöjfeldt entschied auf Abseits. Tatsächlich war der Torschütze nicht im Abseits, sondern es stand einer seiner Kollegen bloß passiv im Abseits. Da dieser Spieler in die Aktion nicht eingriff, hätte das Tor zählen müssen. Anstatt des Ausgleichs für Portugal fiel wenig später das 3:1 für Deutschland in Gestalt von Ballack. Wiederum begünstigte der Schiedsrichter die Deutschen, da Ballack seinen Gegenspieler vor seinem Kopfball eindeutig wegdrängte, und sich somit den nötigen Platz verschaffte. Durch diese Fehlentscheidungen war es den Portugiesen nicht mehr möglich, den Rückstand von zwei Toren zu egalisieren.

Das zweite Viertelfinale zwischen Kroatien und der Türkei leitete Roberto Rosetti. Bis kurz vor Schluss zeigte er eine durchaus positive Leistung, doch fragwürdig ist, warum Rosetti nun von der Schiedsrichter-Kommission der UEFA damit beauftragt wurde, das Endspiel dieser Europa-Meisterschaft zu leiten? Wenige Sekunden vor Schluss zeigte der kroatische Trainer Bilic – und das vor dem Abstoß des türkischen Keepers Rüstü – eine Auswechslung an. Abgesehen davon, dass Rosetti eine Minute länger spielen ließ als vorab angezeigt, ermöglichte er diesen Austausch nicht. Nur aus diesem Grund heraus erfolgte der Abstoß des leicht vorgerückten Rüstü, der einen Mitspieler fand, und dieser wiederum schoss den Ball zur Verblüffung der kroatischen Spieler ins Netz. Die nachfolgende Niederlage der Kroaten im Elfer-Schießen hat Rosetti durch seine merkwürdige Entscheidung, den Austausch nicht zu genehmigen, gelinde geschrieben – begünstigt. Möge Rosetti im Finale bis zur letzten Sekunde das Spiel unter Kontrolle haben!

Noch ist nicht bekannt, wer das zweite Halbfinale der EM zwischen Russland und Spanien leiten wird. Es wird aber mit Sicherheit nicht Lubos Michel sein, der bereits den 3:1 Sieg von Russland gegen Holland in der Verlängerung souverän geleitet hatte. Die Verwirrung um seine Entscheidung, eine gelb-rote Karte gegen den russischen Spieler Kolodin zurückzunehmen, wird in die Fußball-Geschichte eingehen. Entgegen der „Vermutung“, dass die Rücknahme dieser Entscheidung mit dem Ball-Aus zu tun hatte, erklärte Michels nach Befragung durch die UEFA, dass er mit seinem Assistenten Rücksprache gehalten hätte, und er das Foul von Kolodin an Sneijder hernach nicht mehr als gelbwürdig betrachtete. Wie die Zeitlupe einwandfrei beweist, war diese Entscheidung richtig. Kolodin hatte Sneijder nämlich nicht mal zärtlich mit dem Fuß berührt. Michels, der dieses Jahr im Übrigen das CL-Finale geleitet hat, wurde dennoch mit keinem weiteren Spiel belohnt. Warum auch immer, aber er wird es verschmerzen…

Der Deutsche Fandel schließlich war als Schiedsrichter für das letzte Viertelfinale Italien gegen Spanien zuständig. Wie schon in zwei anderen Viertelfinal-Spielen unterliefen ihm ebenso zwei schwer wiegende Fehler. Er hätte den Spaniern noch vor der Verlängerung zwei Elfmeter zusprechen müssen. Zum Glück für den weiteren Turnierverlauf gewannen die Spanier im Elfer-Schießen, sodass die Fehlentscheidungen von Fandel nicht schon wieder das falsche Team ins Viertelfinale hievte.

Außer Frage steht, dass Lubos Michel die mit Abstand beste Leistung im Viertelfinale zeigte. Er galt auch als Favorit für das Finale. Ausschlaggebend für seine Nicht-Nominierung könnte sein, dass er eben schon das CL-Finale geleitet hatte.

Hinzuzufügen ist noch, dass die Assistenten der Schiedsrichter – mit Ausnahme des Spiels Russland gegen Holland – einige Fehlentscheidungen mit zu verantworten hatten.

Mittwoch, 18. Juni 2008

Fußball-EM, Teil 7: Schiebung

Es gab da mal Gijon, und seitdem ist das Thema „Schiebung“ hinsichtlich größerer Fußball-Veranstaltungen weitgehend bekannt. Bei dem kürzlich ausgetragenen Länderkampf zwischen Österreich und Deutschland ging alles mit rechten Dingen zu. Die Deutschen siegten als leicht bessere Mannschaft verdient, und die österreichische Fußball-Nationalmannschaft kann ohne halbwegs funktionierenden Sturm nichts ausrichten. Die Verteidigung spielte immerhin gefällig. Die Gegentore resultieren aus einem Elfmeter, einem Freistoß und einem Abseits-Tor. Mit etwas Glück wären ein Sieg gegen Polen, und zwei Remis gegen Kroatien und Deutschland möglich gewesen, aber sollte halt nicht sein…

Hickersberger sagte im Vorfeld der Europameisterschaft, dass er nicht auf die Besten, sondern auf die „Richtigen“ Spieler zurückgreife, wenn es um die Zusammenstellung des Kaders geht.
Das erinnerte mich frappant an die Aussage eines Personalverantwortlichen, der einer Unzahl von Bewerbern einst vermittelte, dass nicht unbedingt jene Bewerber die ausgeschriebenen Jobs bekämen, welche die besten Leistungen bei den Aufnahmeverfahren erbracht hätten, sondern vielmehr die „Bestgeeigneten“. Und mittlerweile bin ich von diesem Prozedere längst überzeugt.

Heute wurde mir ein Kuriosum mitgeteilt, das in dieser Form in Zusammenhang mit Bewerbungs-Verfahren als bislang einmalig anzusehen ist. Schon mehrfach war mir klar gewesen, dass ich bei Vorstellungsgesprächen gegen „geeignetere“ Kandidaten „verloren“ habe, was fast immer mit finanziellen Vorstellungen oder merkwürdigen „Unternehmens-Philosophien“ zusammenhing. Der Exkurs zum Thema „Schiebung“ passt hervorragend in diese den Mainstream nicht ansprechende Berichterstattung über die Fußball-EM.

Was nämlich ist vorgefallen: Ich wartete darauf, endlich zu einem Vorstellungs-Gespräch eingeladen zu werden. Vor vier Wochen hatte ich einen Eignungs-Test gemacht, und diesen sehr gut absolviert. Für mich war klar, dass ich unter den besten 30 der Bewerber sein musste, doch denkste! Ich rief die zuständige Person an, welche für die Auswertung der Eignungstests zuständig ist, und mir wurde mitgeteilt, dass ich mit einem Vorstellungs-Gespräch nicht zu rechnen brauche. Auf meine Nachfrage, es wäre seinerzeit gesagt worden, dass die Absagen rasch erteilt werden würden, wurde nur lapidar von „viel Arbeit“ genuschelt. Immerhin gab mir die Dame meine erreichte Punktezahl bekannt, welche sogar noch höher ausfiel, als ich erwartet hatte! Mit dieser Leistung NICHT eingeladen zu werden ist schon ein schlechter Witz. Der noch schlechtere Witz folgt aber jetzt: Einige der Teilnehmer sollen die VOLLE Punktanzahl erreicht haben oder nur gering darunter gelegen haben. In diesem Sinne sei ich also deutlich unter diesen „Leistungen“ gelegen… Hm, also ich wusste nicht, dass sich für keineswegs Spitzen-Jobs offenbar superintelligente Mitglieder des Mensa-Clubs bewerben. 100 % der Aufgaben (es waren sich über 200!!!) gelöst; das ist so glaubwürdig wie die Schaffung einer existenzsichernden Grundsicherung ohne ein paar Haken in Österreich in naher Zukunft.

Nein, irgendwie geht mir da voll die Hutschnur hoch. Manche „Bewerber“ haben offenbar den richtigen Draht, und wer weiß, ob diese ganze „Bewerbungs“-Geschichte nicht von vornherein ein abgekartetes Spiel war? Besonders absurd erschien mir die Tatsache, dass ein Fotograf!!! während der Tests zahlreiche Fotos von den Teilnehmern und der Gesamtsituation machte. So etwas war mir bis dato nicht untergekommen…

Gerechtigkeit gibt’s nur im Kino, natürlich. Aber offensichtliche Schiebung bei Eignungstests? Mich wundert es übrigens, dass mir diese Absurdität telefonisch mitgeteilt wurde. Andererseits weiß heute jeder Fußballfan, was in Gijon „gespielt“ wurde. Im Falle dieses „Bewerbungs-Verfahrens“ wissen es nur die Beteiligten…

Nur ein Detail am Rande: Ich war angesichts eines anderen, vom Schwierigkeitsgrad her gesehen ähnlichen Aufnahmeverfahrens vor wenigen Jahren unter die besten 9 von über 500 Bewerbern gekommen. Und nun soll ich bei knapp 300 Bewerbern nicht unter die besten 30 gekommen sein? Ich kann mich nicht erinnern, die Hälfte der Tests aus einer Laune heraus nicht ausgefüllt zu haben… Tja, Hauptsache ist für die Verantwortlichen selbstverständlich, dass die „Richtigen“ bald einen Job intus haben. Hätte nie gedacht, in diesem Kontext das Wort „Schiebung“ zu gebrauchen, aber jetzt ist es tatsächlich passiert…

Montag, 16. Juni 2008

Kafka-Projekt: Der Erleuchtete

Nunmehr ist die sechste Geschichte des Kafka-Projekts erschienen.

Der Hungerkünstler hat sich in einen Erleuchteten, in einen Lichtnahrungs-Spezialisten verwandelt, der seine Fähigkeiten vor Publikum beweisen muss.
"Es war, als fiele der Himmel auf die Erde hinab. Ja, die Menschen waren wie berauscht von diesem Menschen, der sich nur von Licht ernährte! Was für ein Wunder, und sie alle sollten bald schon eingeweiht werden, wie sie es selbst bewerkstelligen konnten, ohne jegliche Nahrung auszukommen."

"Der Erleuchtete" kann unter

http://www.mobilebooks.com/content/view/1006/32/

kostengünstig erworben werden.

Sonntag, 15. Juni 2008

Fußball-EM, Teil 6: Exkurs über die ungarische Fußball-Nationalmannschaft

Das ballesterische Duell, welches Österreich gegen Deutschland bevorsteht, ist deswegen brisant, weil die Siege österreichischer Fußball-Nationalmannschaften gegen diesen Gegner bislang an zwei Händen abzählbar sind. Nur in der Anfangszeit des internationalen Fußballs waren die österreichischen Fußballer den deutschen Kontrahenten überlegen, was sich in der Mehrzahl der Siege anfangs des 20. Jahrhunderts niederschlug. Dann aber gab es ab 1931 Sendepause, und es dauerte unfassbare 47 Jahre, bis in Cordoba Hansi-Burli ganz Fußball-Österreich in einen kollektiven Freudentaumel stürzen ließ. Danach vergingen nur weitere zwölf Jahre, als anlässlich der Neueröffnung des Wiener Stadions der scheinbar übermächtige Gegner in einem allerdings rein freundschaftlichen Länderkampf völlig verdient mit 4:1 gedemütigt wurde. Seitdem gab es mit Ausnahme eines Remis vier Niederlagen seitens der Österreicher einzustecken, und so sprechen also viele selbsternannte „Fußball-Experten“ von einem voraussehbaren „Wunder“, insofern denn die Österreicher die Deutschen auf den Boden der Realität zurückziehen.

Ganz anders sieht die Sache aus, wenn von den Duellen gegen die ungarische Fußball-Nationalmannschaft ausgegangen wird. Gab es gegen die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Laufe der Fußball-Geschichte gerade mal knapp drei Dutzend Spiele auszutragen, sind es gegen die Ungarn schon weit über 100. Das Besondere an Spielen gegen Ungarn ist die Tatsache, dass es sich um „Bruderduelle“ handelt. Österreich und Ungarn gehörten einmal zusammen, und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ich nach wie vor die Däumchen für Ungarn drücke (freilich habe ich auch ungarisches Blut in mir, da mein Großvater mütterlicherseits Ungar war). Das Nationalteam oder auch Vereinsmannschaften mögen endlich mal wieder ein bisschen etwas international mitzureden haben. Seit der WM 1982 in Spanien, wo die Ungarn El Salvador mit 10:1 abschossen, und dennoch nicht über die Vorrunde hinauskamen, geht es bei den Ungarn – leider – nicht mehr bergauf. Sehr schade ist es rückblickend, dass 1954 bei der WM in der Schweiz dieses traurige Finale stattfand, bei dem die mit Abstand schlechtere Mannschaft den WM-Titel einstreifen konnte. Die Deutschen hatten es Adi Dassler und der brutalen Ausschaltung von Herrn Puskas zu verdanken, dass Jahrzehnte später ein selbstbeweihräuchender Film über das „Wunder von Bern“ gedreht werden konnte.

Wie auch immer: Die Begegnungen der Fußballnationalmannschaften von Österreich und Ungarn zählen für mich nach wie vor zu besonderen Ereignissen. Es ist also nur zu hoffen, dass es schon bald wieder zu einem Duell kommt. Ungarn ist im Übrigen jener „Gegner“, mit dem sich Österreich am häufigsten maß. Die Deutschen liegen diesbezüglich abgeschlagen irgendwo im Mittelfeld. Also, sollte die österreichische Fußballnationalmannschaft gegen die Deutschen gewinnen, ist es – auch – deswegen ein seltenes Ereignis, weil von zahlreichen Duellen im Laufe der Fußball-Geschichte nicht die Rede sein kann. Wien wird nicht Gijon werden, und diese Schmach gilt es auszumerzen. Cordoba war eine Sternstunde des österreichischen Fußballs, Gijon ein Schandfleck. Beiderlei sollte morgen an Bedeutung verlieren. Zumindest wäre es schön. Und als Sahnehäubchen möge dann die erfolgreiche österreichische Fußball-Nationalmannschaft nach der Europameisterschaft so bald wie möglich die Ungarn zu einem Freundschaftsspiel einladen. Leider hat die WM-Qualifikation zwar attraktive Gegner beschert, aber die Ungarn konnten, glaube ich, gar nicht als Gegner in Frage kommen…

Und so ganz nebenbei möchte ich noch vermerken, dass mit der Schweiz ein wunderbarer Gastgeber, und eine starke Nationalmannschaft frühzeitig aus der EM ausgeschieden ist. Die Niederlage gegen die Türken war ebenso unverdient wie jene gegen Tschechien. Aber warum sollte es gerade im Fußball Gerechtigkeit geben? Vielleicht ja doch am 16.6.2008 im Ernst-Happel-Stadion…

Mittwoch, 11. Juni 2008

Fußball-EM, Teil 5: Reflexionen über die erste Runde der Gruppenphase

Die ersten Spiele, welche ich mir alle zur Gänze angesehen habe, ermöglichten erste Hinweise auf (Geheim)favoriten, und Qualität der Nationalmannschaften. Das Niveau ist insgesamt gesehen durchaus als hoch einzustufen. Zwei der Matches waren echte Kracher: Die Holländer kombinierten herrlich, und waren den Italienern in allen Belangen überlegen, was als Überraschung zu werten ist. Zwar hat die holländische Fußball-Nationalmannschaft immer wieder für ausgezeichnete Leistungen auch in der Vergangenheit gesorgt, jedoch ist der große Coup noch nicht gelungen. Vielleicht diesmal?
Die Portugiesen wiederum spielten die Türken 90 Minuten an die Wand, und selbst über vier oder fünf Gegentore hätten sich die Türken nicht beschweren können. Zwar erwiesen sich die Türken als „dankbarer“ Gegner, der kaum Gegenwehr zeigte, aber mit diesen Portugiesen wird im Laufe der Europameisterschaft zu rechnen sein!

Großes Pech hatten beide Nationalmannschaften der Veranstalter-Länder. Die Schweiz war den Tschechen fast über das gesamte Spiel gesehen überlegen, und hatte zudem mit einem Lattenpendler und dem Ausscheiden des Kapitäns Alexander Frei ballesterisches Unglück zu beklagen. Das Tor der Tschechen war so ziemlich die einzige gelungene und weiterhin „Zufalls-Aktion“, welche den unverdienten Sieg herstellte. Auch die österreichische Nationalmannschaft präsentierte sich als starkes Team, das gegen die Kroaten immer wieder Druck erzeugte, und mehrmals an einem Tor hauchdünn vorbeischrammte. Hier verhielt es sich so, dass nach dem unnötigen, und schließlich verwandelten Elfmeter das Spiel quasi mit 0:1 aus Sicht der Österreicher begonnen wurde. Sowohl die Schweiz als auch Österreich werden es sehr schwer haben, nach diesen unglücklichen Niederlagen die Gruppenphase zu überstehen. Mit Portugal und Deutschland scheinen buchstäblich nahezu unschlagbare Gegner im letzten Spiel zu warten.

Solide spielten die Spanier und Deutschen. Von einer Favoriten-Rolle will ich in diesen beiden Fällen nicht schreiben. Die Spanier konterten die gefällig spielenden Russen ausgezeichnet aus, wobei das erste Tor einem schrecklichen Fehler der russischen Hintermannschaft entsprang, und der letzte Treffer eindeutig aus Abseits-Position erzielt wurde. Ein 2:1 hätte den Kräfte-Verhältnissen der beiden Teams entsprochen. Das 4:1 entspricht dem Spielverlauf in keinster Weise. Die Deutschen wiederum spielten eine Halbzeit lang mit den Polen Katz und Maus, um dann in der zweiten Halbzeit stark zurückzufallen. Der Ausgleich für die Polen lag in der Luft, und ein – wiederum – „Zufallstreffer“ entschied das Spiel.

Bleiben noch die Rumänen und Franzosen, die sich gegenseitig neutralisierten (die Franzosen agierten extrem einfallslos, und haben mit dieser „Taktik“ weder gegen die Italiener noch gegen die Holländer den Funken einer Chance, die Rumänen ermauerten sich geschickt den Punktegewinn), und die Schweden, welche gegen einen erschreckend harmlosen, antiquiert kickenden Titelverteidiger Griechenland fast mühelos siegreich blieben.

Es kommt zwar am Ende fast immer anders, als man denkt, aber wenigstens will ich konstatieren, dass ein Weiterkommen der Türken, Griechen, Rumänen und Franzosen fast auszuschließen ist. Die Schweiz, Österreich, Russland und Italien werden es schwer haben. Auf Portugal, Holland und Spanien kann fast eine Bank gesetzt werden.

Montag, 9. Juni 2008

Fußball-EM, Teil 4: Eindrücke von der Fan-Meile

Ich weiß ja nicht, warum das Ding Fan-Meile genannt wird, denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Fan oder Interessierte im Gedränge nur den Anschein hat, er liefe 1609,344 Meter, bis er in der Nähe einer der großflächigen Bildschirme sei, auf die das Geschehen aus den Stadien projiziert wird.

Die Stadt Wien ist Provinz, und das ist nicht neu. Aber insbesondere in der Innenstadt hatte ich den Eindruck, als wäre ich am Silvester-Pfad, und im nächsten Moment würde mir irgendwer ein Glücks-Schweinchen umhängen, sodass die österreichische Nationalmannschaft auch ja gewänne. Vielleicht trugen die gesammelten gebürtigen und eingebürgerten Österreicherinnen und Österreicher, die das Spiel gegen Kroatien gemeinsam ansahen, ein unsichtbares Glücks-Schwein um den Hals oder auf dem Kopf, aber es nutzte alles nichts: Wer kein Tor schießt, kann nicht gewinnen, und so verlor die Nationalmannschaft also unglücklich. Es hilft nichts, zu jammern und zu proklamieren, dass ein Sieg möglich gewesen wäre. Die Kroaten wären doch zu packen gewesen, spielten selbst einen Stiefel zusammen, und wenn der Kienast in letzter Minute nicht das Tor um wenige Zentimeter verfehlt…

Das Glücks-Schwein wurde mir zur Last, und also entschieden sich mein Bruder und ich, diese atmosphärisch uninteressante Stätte zu verlassen, und zum Prater zu pilgern, wozu wir nicht mal zuvor dieses komische Bücherl eines Komödianten lesen mussten. Nach nur wenigen U-Bahn-Stationen waren wir auch schon am Praterstern, tranken zuvor noch ein paar Bier, weil die Preise in der Fan-Zone (Fan-Meile kann nur ein Jux-Ausdruck sein…) für ein Krügerl sogar das Oktober-Fest in den Schatten stellen. Ja, und das kleine Areal auf der Kaiserwiese im Prater hat wohl etwas Heimeliges, Sympathisches an sich. Und das liegt nicht daran, dass ich hier in der Nähe aufgewachsen bin… Die Leinwand ist zudem wahrscheinlich drei Mal größer als jene in der Innenstadt. Und es ist sogar der Kommentar mühelos hörbar. Da kam also Freude auf, und ich werde wohl nur aus Masochismus und Tollerei anlässlich des nächsten Spiels der Austriaken gegen Polen mit meinen polnischen Freunden kurz oder lang die Fan-Zone in der Innenstadt streifen. Schließlich sollen sich auch die Gäste in der Wiener Provinz wohlfühlen…

Samstag, 7. Juni 2008