Sonntag, 30. November 2008

Gedanken zum ersten Advent

Angesichts der Adventzeit mögen Gedanken in den Menschen auftauchen, die sie das sonstige Jahr über nicht haben… Diese vier Wochen können dazu dienen, zu gewissen Erkenntnissen zu gelangen, oder einfach das Leben in besonderer Weise zu reflektieren.

Wie ist das etwa, wenn ich an meine politische Entwicklung denke? Kann ein Nicht-Politiker überhaupt eine politische Entwicklung durchmachen? Ist das Interesse an Politik schon Begründung genug, um eine Vorwärtsbewegung in politischer Hinsicht zu erreichen?
Ich behaupte, mich trotz weitgehendem Desinteresse an Politik politisch weiter entwickelt zu haben.

Jesus war Teil einer Gesellschaft, in der einfache politische Strukturen herrschten. Es gab einen Kaiser, es gab den Glauben an Götter, es gab den Glauben an einen Messias. Die Menschen waren in der Mehrheit unglücklich, und wussten nicht, wie sie dieses Unglück in Glück verwandeln konnten. Jesus hatte Mittel auserkoren, die es den Menschen leicht machen würden, ihr Leben zu verändern. Nur wer dieses Leben verwandelt, weil er sich in Gottes Hand sicher fühlt, kann dem immerwährenden Unglück entgehen. Eine Maxime, welche hinter all den Gleichnissen steckt, die uns hinterlassen wurden.

Jesus war ein politischer Mensch, der die herrschenden Ordnungen nicht anerkannte. Gleichzeitig war er ein unpolitischer, tiefreligiöser Mensch. Er wollte sich keinem System unterordnen, das er als fragwürdig betrachtete. Seine Worte und Taten waren gegen die Obrigkeit und die Profiteure eines fragwürdigen Systems gerichtet. Jesus wäre heute für ein Grundeinkommen, für das Recht des Menschen auf Nahrung, Wasser und Obdach. Jesus fände es absurd, Pseudo-Arbeitsplätze zu schaffen, und dann zu behaupten, dass jeder Mensch, der wolle, einer Erwerbsarbeit nachgehen könne. Jesus würde sich gerne darüber unterhalten, ob nicht gerade die scheinbar unpolitischen Menschen am meisten tun könnten, wenn es darum geht, Menschen die Würde zurückzugeben. Die Einen werden mit Füßen getreten, und wie Abfall behandelt, die Anderen treten mit den Füßen zu, und behandeln die Anderen wie Abfall. Jene, die diese Behandlung aushalten müssen, sind in gesellschaftspolitischer und seelischer Hinsicht ihrer Würde beraubt. Jene, die treten und andere Menschen wie Abfall behandeln, haben kein Fünkchen von Menschenwürde mehr in sich. Die Einen werden ihrer Menschenwürde beraubt, die Anderen haben sie erst gar nicht. Jesus wüsste die richtigen Antworten auf diese unfassbaren Zustände.

Eine politische Entwicklung hängt nicht nur vom Interesse oder vom Wissensstand über die Materie ab. Eine politische Entwicklung kann sich auch darin manifestieren, dass dem entsprechenden Menschen die Augen aufgehen, was den realen Zustand einer Konsumgesellschaft, den Turbokapitalismus und den Neoliberalismus und deren Auswüchse betrifft. In diesem Zusammenhang habe ich mich als ein politisch eher desinteressierter Mensch politisch entwickelt. In der Adventzeit spielt der Konsum eine besonders wichtige Rolle, und dagegen würde Jesus auftreten. Er würde von den Menschen fordern, dass sie sich in den Spiegel sehen, und darob nicht vor Entsetzen auf das Bild spucken, das sich ihnen zeigt. Auch politische Entwicklung kann Selbstreflexion sein.

Dienstag, 25. November 2008

Kommissarin Lund



Fast drei Monate konnte der geneigte Fernsehzuschauer nahezu an jedem Sonntagabend einen ausführlich behandelten Kriminalfall verfolgen. Es ging um den Mord an einem 19-jährigen Mädchen. Fernsehkrimis sind heutzutage täglich irgendwo im Programmangebot diverser Sender zu finden. Tatsächlich bräuchte darüber nicht großartig erzählt zu werden, wenn im Falle dieser dänischen Produktion keine ausufernde Erzählweise gegeben wäre. Das Besondere ist also die Ausführlichkeit: Etwa 1000 Minuten Crime-Time, und in diesem Zeitraum werden zahlreiche mögliche Täter präsentiert.

Hierbei haben viele Krimi-Zuschauer den Nagel auf den Kopf getroffen. Gleich nach der ersten Sendung wurde danach gefragt, wer denn nach Meinung des Publikums als Täter einzustufen sei. Und siehe da: Etwa 60 % hatten jenen Mann und Arbeitskollegen des Vaters der Ermordeten im Visier, der sich am Ende der Serie tatsächlich als Täter entpuppte. Auch ich tippte schnell auf den merkwürdigen Mann, welcher sich allzu kameradschaftlich und familienfreundlich zeigte.

Trotz der scheinbaren Eindeutigkeit, wer denn als Täter in Frage kommt, erwies sich das Szenario als äußerst spannend. Einige falsche Fährten wurden gelegt, und die genaue Darstellung der Empfindlichkeiten der Eltern des ermordeten Mädchens und derer zweier kleinen Kindern schuf eine eigene Atmosphäre. Die Auflösung des Falls war schließlich noch mit einer „politischen Botschaft“ gekoppelt, die ebenso wenig vorauszusehen war wie das Motiv und die letztliche Provokation des Vaters durch den Täter.

Ist dieses Experiment eines langwierigen Kriminal-Falles als gelungen anzusehen? Ich denke schon. Wenn Zeit und Raum gegeben sind, durch die eine genauere Darstellung von Haupt- und Nebenhandlungssträngen möglich wird, mag das Mosaik der Geschichte stärker durchscheinen als bei den üblichen Krimis mit eineinhalb Stunden Länge. Da es sich um Staffel 1 handelt, ist davon auszugehen, dass weitere Staffeln in ähnlicher Machart geplant sind, worauf ich durchaus gespannt bin.

Montag, 17. November 2008

Jüdischer Filmclub Wien

Ich hatte das große Vergnügen, am 16. November 2008 um 15 Uhr der Eröffnung eines jüdischen Filmclubs in Wien beizuwohnen. Einige junge Menschen haben die Entscheidung getroffen, jüdische Filme einem interessierten Publikum zu präsentieren. Juden und Nichtjuden sind dazu eingeladen, zumindest sechs Veranstaltungen pro Jahr zu besuchen.

Mit dem Metro-Kino hat der jüdische Filmclub ein Kino mit besonderer Atmosphäre als Veranstaltungsort und das Filmarchiv als Kooperationspartner bekommen. Wie einer der Initiatoren bekundete, werden unterschiedlichste Filme im Jahr 2009 auf dem Spielplan stehen. Es wird zudem versucht werden, Regisseure, Schauspielerinnen und Schauspieler für die Veranstaltungen zu gewinnen.

Die Etablierung eines jüdischen Filmclubs in Wien ist von großer Bedeutung. Jüdische Kultur in Bild und Ton sehen zu können kann Herzen aufgehen lassen, und insbesondere auch einen Bezug zum Judentum (für Nichtjuden und Juden) herstellen, welcher der Nährboden für weitere Beschäftigung mit dieser Religion und Kultur sein mag. Herr Stern, der den jüdischen Filmclub unterstützt, sagte auch, dass möglichst viele Menschen von der Existenz dieses Vereins wissen sollten. Also, ich komme seinem Ansinnen gerne nach, und gebe kund, dass nach fünfzig Jahren wieder ein jüdischer Filmclub in Wien existiert, der sich viele interessierte Zuschauerinnen und Zuschauer, Unterstützerinnen und Unterstützer, Mitglieder
und Sponsoren wünscht. www.juedischer-filmclub.at

Der Einstandsfilm des jüdischen Filmclubs ist schon mal ein kleines Juwel. Eine fast als trashig zu bezeichnende Komödie rund um einen schwulen Mann, der schließlich von seiner Mutter gedrängt eine Frau heiratet, und darob in arge persönliche Turbulenzen gerät.

Köstlich war schließlich das koschere Buffet. Auch der Rotwein mundete vorzüglich.

Und was mich besonders gefreut hat: Ich bin schon seit vielen Jahren mit dem Wiener Filmarchiv verbunden, aber so viele Zuschauer gab es schon lange nicht! Das Metro-Kino platzte aus allen Nähten, und es mussten sogar Zusatzsessel aufgestellt werden! Vielleicht gibt es ja sogar mal ein Stelldichein im Augarten, wo das Filmarchiv im Sommer Open-Air-Kino anbietet.

Ich wünsche dem jüdischen Filmclub alles Gute, und werde selbst bemüht sein, so viele Vorstellungen wie möglich zu besuchen. Eine Mitgliedschaft wäre eine besondere Ehre für mich.

Sonntag, 9. November 2008

Novemberpogrom 1938

Als ich im Jahr 2006 das Gelände des ehemaligen KZ Auschwitz und Birkenau betrat, erwies sich dies als besonders schwerwiegende Erfahrung. Die Vorstellung, dass an diesen Orten über eine Million Jüdinnen und Juden auf bestialische Weise umgebracht worden sind, verursacht ein nicht beschreibbares Gefühl im Herzen. Ich hätte mir nach den ersten Minuten nicht gedacht, dass ich überhaupt in der Lage bin, mehrere Stunden in Auschwitz und Birkenau zu verharren.

Die Erinnerung an das Schicksal von hunderttausenden Menschen, die von den Nazis ihres Lebens beraubt worden sind, steht anlässlich dieses traurigen Jubiläums an der Tagesordnung zahlreicher Veranstaltungen. Es begann mit der Zerstörung von Synagogen und Geschäften, die von Menschen mit jüdischen Wurzeln geführt wurden, und setzte sich im Laufe von Tagen, Wochen, Monaten und Jahren bis zur unfassbar als „Endlösung“ deklarierten Vernichtungsmaschinerie fort.

Mir schnürte es Herz und Seele zusammen, als ich vor Ort in Auschwitz und Birkenau das Gelände der ehemaligen Konzentrationslager durchschritt. Viele Baracken stehen noch, auch einige Wachtürme. Ort und Lage der Gaskammern sind ersichtlich. Die Verbrennungsöfen können besichtigt werden. Der in den KZs auswuchernde Wahnsinn ist überall auf dem Gelände zu erahnen. Doch trotz alledem ist es nicht nachvollziehbar, was sich hier alles abgespielt haben mag.

Wer je in Auschwitz und/oder Birkenau gewesen ist, und auf dem Gelände der ehemaligen Konzentrationslager unterwegs war, wird diese Erfahrung nie vergessen. Nie sollte vergessen werden, was Menschen mit jüdischen Wurzeln angetan wurde! Den Menschen zu gedenken, die unter der brutalen Naziherrschaft auf bestialische Weise zu leiden hatten, sollte nicht nur auf den heutigen Tag und die Abendstunden beschränkt sein. Das Novemberpogrom war der Anfang einer Kette von menschlichen Abgründen, von denen die jüdische Bevölkerung betroffen war. Die Erinnerung an unzählige schreckliche Verbrechen, welche im Namen einer befremdlichen Ideologie begangen wurden, kann nie aus den Köpfen der Nachkommen getilgt sein. Und wir Nachkommen sind aufgerufen, darauf zu achten, dass nie wieder etwas Derartiges passieren darf. Wir müssen wachsam sein!

Heutzutage ist der Fremdenhass an die Stelle des offiziell nicht mehr propagierten Antisemitismus getreten. Asylanten werden wie Aussätzige behandelt. Viele Menschen haben unter Umständen zu leiden, die von einem Rechtsstaat nicht geschaffen werden dürften. Die Angst vor den „Ausländern“ ist nicht nur unbegründet, sondern gleichermaßen absurd. Wer die Kultur des neuen Heimatstaates ignoriert oder sogar ablehnt, hat in diesem neuen Kultur- und Zivilisationskreis nichts verloren. Doch es ist beschämend, diese Argumente auf ALLE Menschen abzuwälzen, die sich für Österreich als neue Heimat oder Asylland entschieden haben. Es darf nicht sein, dass Menschen kategorisch zu „Staatsfeinden“ oder Schmarotzern erklärt werden.

Das Novemberpogrom 1938 dürfen wir Nachkommen wie auch die unfassbaren Folgen nie vergessen. Fremdenhass und Diffamierung von gesellschaftlichen Randgruppen dürfen nicht als selbstverständliche politische Äußerungen einfach im Raum stehen bleiben. Wir sind dazu aufgerufen, dagegen Zeichen zu setzen. Die innere Einstellung ist und bleibt das kostbarste Gut, über das wir verfügen. Es gilt, uns auch mit den Aspekten in uns auseinander zu setzen, die möglicherweise fragwürdig sind. Der Mensch muss sich auch in Frage stellen können. Nur dann ist die Ausgangsbasis einer von innen kommenden Veränderung geschaffen.

Mittwoch, 5. November 2008

Acht Jahre nach dem Wahlbetrug

Paul Auster hat in seinem kürzlich im deutschsprachigen Raum erschienenen Roman „Mann im Dunkel“ ein Szenario beschrieben, das davon ausgeht, es habe weder den Irak-Krieg noch den Anschlag auf das WTC gegeben. Für den Autor, der in New York beheimatet ist, war die Wahl von George W. Bush im Jahre 2000 zum Präsidenten der U.S.A. ein reiner Wahlbetrug, und mit dieser Ansicht steht er sicher nicht alleine da. Auch ich kann mich noch gut an dieses Schmierentheater erinnern, das dazu geführt hat, dem Hoffnungsträger Al Gore sein Anrecht auf die Präsidentschaft zu stehlen. Was folgte waren acht lange Jahre, in denen George W. Bush bewiesen hat, der schlechteste US-amerikanische Präsident der Geschichte zu sein. Er hat Afghanistan bombardieren lassen, den Irak-Krieg eingeleitet, den Anschlag auf das WTC mitzuverantworten, die Kluft zwischen Arm und Reich in seinem Land eklatant erhöht, die Ölbonzen und sonstige multinationale Konzerne mit Geld zugeschüttet, den fundamentalistischen Pseudo-Christen zu viel „Ansehen“ verholfen, Umweltsünder mit Geldgeschenken bedacht, die unteren Einkommensbezieher ignoriert usw. Die Liste der Verfehlungen von George W. Bush ist so lang, dass dazu sicher noch zahlreiche Bücher erscheinen werden. Immerhin hat er Michael Moore ein Podium gegeben, das dieser zu seinem eigenen Vorteil benutzt(e).

Die letzten acht Jahre waren nicht nur verschwendete Zeit, sondern insbesondere ein Beleg dafür, was passieren kann, wenn die falsche Richtung propagiert, und zum non plus ultra erklärt wird. Al Gore hätte in vielerlei Hinsicht anders agiert als der selbsternannte Scharfrichter Bush junior. Nunmehr ist soviel Wahnsinn über die Welt gekommen, dass es fast unmöglich sein mag, tatsächlich Veränderungen zu erreichen, durch die endlich wieder ein Zustand angestrebt wird, der nicht nur der Waffenindustrie, den Militärs, den Ölkonzernen, den oberen Zehntausend, der Oberschicht und den Multis nutzt.

Die Ausgangssituation für Barack Obama ist viel schwieriger und komplexer als jene, die Al Gore vor acht Jahren gehabt hätte, wenn er nicht durch Wahlbetrug seiner Präsidentschaft beraubt worden wäre. Er wird die Welt nicht aus den Angeln heben, und innerhalb kürzester Zeit den Menschen ihre Würde zurückgeben können. Aber er hat die Chance, tatsächlich etwas zu tun, und nach acht unfassbaren Jahren der Ära Bush hoffentlich acht Jahre lang Zeit haben, in wesentliche Punkten Änderungen herbeizuführen. Die Aufgabenstellung wird nur in kleinen Schritten zu lösen sein, und Obama vermittelt durchaus den Eindruck, nicht übereilt die vielen verschiedenen Ziele verwirklichen zu wollen. Es ist verkehrt, ihn als Messias anzusehen, oder gar den Heiligenstatus überzustülpen. Doch er hat nun die Pflicht, jene Hoffnungen vieler Menschen auf diesem Planeten nicht zu enttäuschen, die ihn gewählt und unterstützt haben. Das ist eine Verantwortung, der er sich bewusst sein muss.

Paul Auster beschreibt in „Mann im Dunkel“ eine Parallelwelt, in der es nie einen Präsidenten Bush jun. gegeben hat. Vielleicht vermag es Barack Obama, im Laufe von Jahren seiner Präsidentschaft den schlechtesten unrechtmäßig ins Amt geschleusten Präsidenten, den die Vereinigten Staaten von Amerika je gehabt haben, weitgehend vergessen zu machen, weil tatsächlich die große Veränderung eintritt. Zu wünschen wäre es. Dann könnte der 6. November nicht nur in Kenia als Feiertag deklariert werden.