Freitag, 1. Mai 2009

Neue Webpräsenz ab heute online!

Ab heute ist meine brandneue Webpräsenz online:

http://www.literaturexperte.com/

Ein fester Bestandteil dieser Webpräsenz ist der Notizblog.

Würde mich sehr freuen, dich/Sie auf meiner neuen Webpräsenz begrüßen zu dürfen!

Die schüchterne Zeugin


Chefinspektor Kneiffer bekommt es mit einer kleinen Mordserie zu tun, die als mysteriös einzustufen ist. Er hat seine Macken und Schrullen, und ist alles andere als ein „perfekter“ Kriminalist. Als Einzelgänger fällt es ihm nicht immer leicht, auf seine Teammitglieder zu hören, und sich Rat einzuholen.

Die Geschichte ist schräg wie die Hauptprotagonisten. Das lässt sich leicht daraus ableiten, dass Wien der Schauplatz der Geschehnisse ist. Die Eigenheiten von Wienerinnen und Wienern sind von außen hin nicht immer leicht durchschaubar. Aber nicht wenige Wienerinnen und Wiener tragen ihre Herzen am rechten Fleck, und Eduard Kneiffer ist einer dieser Hauptstädter. Er saugt sich an einem Fall fest, den er am Ende… Nun gut, zuviel soll an dieser Stelle nicht verraten werden.

Jürgen Heimlich: Die schüchterne Zeugin
Arovell, 2009, Roman, 118 Seiten
ISBN 3783902547859

Bestellbar beim Verlag

http://www.arovell.at/

Samstag, 25. April 2009

Literatur-Universum, Teil 10: Elfriede Jelinek


Es begann mit der Lektüre der „Liebhaberinnen“ im Alter von etwa 19 Jahren, angeregt durch eine begeisterte Mitschülerin, und bald folgte „Die Klavierspielerin“ als Lesestoff. Ich las diese beiden Bücher von Elfriede Jelinek mit besonderer Aufmerksamkeit. Jeder Satz ist in sich stimmig, und vermag oft eine Lawine von Assoziationen im Leser zu erzeugen. Drei, vier Jahre später las ich dann die Krönung in Form von „Lust“, dem wahrscheinlich erstaunlichsten Roman, den Elfriede Jelinek bislang verfasste.

„Lust“ beschreibt den Irrsinn männlicher Allmachtsphantasien, sexueller Ausbeutung und Erniedrigung von Frauen in einer sprachlichen Ausprägung, die ihresgleichen sucht. Eine Geschichte, die als weiblicher Widerstand und gleichzeitig Bildungsroman gelesen werden kann. Letzteres sogar in doppeltem Sinne, da einerseits die intellektuelle Konfrontation mit Männern, für die Frauen nur verlängerte Arme der Selbstbefriedigung darstellen, und andererseits die Zugeständnisse an innere Befindlichkeiten von Frauen UND Männern die Leserinnen und Leser zu spezifischen Reflexionen anregen mögen. Kurzum ein Roman, der leicht mißinterpretiert werden kann, insofern die mechanischen Darstellungen von Sexualität falsche Schlüsse des Lesers nach sich zieht.

Ich habe mich sehr für Elfriede Jelinek gefreut, als ihr im Jahre 2004 der Nobelpreis für Literatur zuerkannt worden ist. Es gab damals einen ziemlichen Medienrummel und nicht wenige selbsternannte „Richter“ schrieben diffamierende Zeilen über die Autorin anlässlich dieser Entscheidung des Nobelpreis-Komitees. Elfriede Jelinek polarisiert insbesondere in Österreich. Der Vorwurf, sie denunziere Österreich, ist hierbei der absurdeste Aspekt.

Etwas verwundert war ich, weil ich mich fragte und eigentlich heute noch frage, wie denn die Juroren die Prosa von Elfriede Jelinek übersetzt bekamen? Elfriede Jelinek schreibt keine Prosa, die in alle Sprachen der Welt mit Leichtigkeit übertragen werden kann. Sie verfügt über eine sprachliche Ausdruckskraft, welche metaphorisch – harmlos ausgedrückt – weitläufig angelegt ist, und zudem Wiederholungsspiralen und ineinanderfließende Haupt- und Nebenstränge in Beziehung stellt. In dieser Form sicher eine Besonderheit von Auseinandersetzung mit Sprache, auch wenn etwa Rilke zum Teil ähnlich bravourös agierte.

„Die Kinder der Toten“ wird manchmal als ihr bester Roman gepriesen, was ich nicht bestätigen kann. Sicher hat dieser Roman einiges an Potenzial zu bieten; an „Die Klavierspielerin“ und insbesondere „Lust“ kommt er jedoch nicht heran.

Samstag, 18. April 2009

Literatur-Universum, Teil 9: Reinhard P. Gruber



In der Handelsakademie hatte ich das Glück, „Aus dem Leben Hödlmosers“ als Lesestoff zugewiesen zu bekommen. Vielleicht eine der witzigsten Geschichten, die ich je gelesen habe.
Die Teilung des Romans in eine transzendente und eine immanente Version ist möglicherweise in der Geschichte der Literatur einmalig. Zudem handelt es sich um den steirischen Heimatroman guthin.

Der erste Kontakt mit einer schrägen Geschichte führte dazu, dass ich mehr von diesem Autor wissen wollte. Und ich wurde fündig. Ein gutes Jahr später las ich „Nie wieder Arbeit“ und war ebenso fasziniert wie vom „Hödlmoser“. Freilich lassen sich die beiden Romane unmöglich vergleichen, aber die Komik und allerlei übersprudelnde Ideen erzeugen einen mächtigen Lesegenuss.

Hödlmoser ist ein Anti-Held und Schivkov lässt sich in die gleiche Schublade sperren. Natürlich würden die beiden Figuren rebellieren, wenn sie ihres Freiraums beraubt werden. Hödlmoser hätte keine Möglichkeit, auf die Pirsch zu gehen, und Schivkov wäre gezwungen, untätig zu sein, wo er es doch bevorzugt, ungezwungen untätig zu sein. Im Grunde ist Schivkov ein Anti-Kapitalist, und er wäre heutzutage auf jeder Veranstaltung von Globalisierungsgegnern gerne gesehen. Auch als einer der vordersten Attac-Befürworter würde er gute Figur machen.

Viel später habe ich dann noch „Im Namen des Vaters“ gelesen. Dieser Roman um eine Beziehung zwischen Vater und Sohn, wobei der Vater all seine Wünsche an ein besseres Leben auf seinen Sohn projiziert, ist ein beklemmendes Stück Literatur, und es herrscht ein anderer Ton vor als in den herrlichen Parodien mit Hödlmoser und Schivkov in den Hauptrollen.

Dienstag, 7. April 2009

Schreibende Frauen und Männer

Meine kleinen Einblicke in Literatur-Universen verdeutlichen mir, dass das Verhältnis von Autoren und Autorinnen, mit denen ich mich ausführlicher beschäftigt habe und beschäftige, sehr unausgewogen ist. Ein Blick in meine Bücherregale belegt eindrucksvoll, dass gut 90, womöglich sogar meiner 95 % der in meinem Besitz befindlichen Bücher von Männern geschrieben wurden, woraus zu schließen ist, dass für Autorinnen maximal 10 % oder noch weniger übrig bleiben.

Warum verhält sich das so? Es ist bekannt, dass Frauen im Allgemeinen gerne und viel lesen, was ihnen sehr hoch anzurechnen ist. Vergleichsweise bilden sich nur wenige Männer literarisch weiter, ja nicht wenige Männer bleiben oft sogar bei schlechten Zeitungen stecken. Gibt es andererseits mehr Autoren als Autorinnen? Nein, das glaube ich nicht, keineswegs. Ach, und ich bin einfach der Frage ausgewichen, warum ich so wenige Bücher von Frauen in meinen Bücherregalen stehen habe…

… ein Versuch einer Erklärung: Ich habe nur wenige (vielleicht 20 oder 25) Lieblingsautoren, von deren Werk ich den Großteil oder alles gelesen habe. Meine weiblichen Lieblingsautoren sind an einer Hand abzählbar. Na ja, könnte natürlich damit zusammenhängen, dass ich mich mit den Hauptfiguren meiner männlichen Lieblingsautoren ein wenig identifizieren kann, und dies bei weiblichen Figuren nicht so leicht möglich ist. Dessen ungeachtet sind einige Frauen eindeutiger Bestandteil meiner Literatur-Universen und ich werde diese wunderbaren Schriftstellerinnen in meine Literaturskizzen einbinden. Namen verrate ich freilich vorerst keine…

Ja, ob meine Antwort zutreffend ist oder nur einen kleinen Aspekt des „Phänomens“ abdeckt, dass ich nur wenige Autorinnen im Laufe meines Lebens näher (auf ihr Werk bezogen) kennen gelernt habe, vermag ich nicht zu beurteilen. Jedenfalls gehören einige Bücher von Autorinnen zu meiner absoluten Lieblings-Lektüre und der ihnen gebührende Platz wird dieses Blog früher oder später füllen, das nehme ich mir mal vor.

Mich würde ja interessieren, wie dieser Verteilungsschlüssel bei anderen Männern ausschaut, die sich intensiver mit Literatur auseinander setzen, UND ob er bei Frauen vielleicht genau UMGEKEHRT definiert ist? Sollten Frauen diesen Beitrag lesen, dann würde ich mich sehr freuen, wenn sie ihn kommentieren oder sich direkt per Mail an mich wenden. Tja, und falls mancher Mann nicht in dieses Schema fällt, dann nur her mit Argumenten…

Mittwoch, 1. April 2009

200. Geburtstag von Nikolai Gogol


Nikolai Gogol mag seinen Zeitgenossen ein Leben lang ein Rätsel gewesen sein. Es gibt Menschen, deren Charakter nie auch nur annähernd erklärt werden kann. Was über den russischen Schriftsteller ukrainischer Herkunft bekannt ist, mag die Nachwelt nicht in Erstaunen setzen. Er war klein, eher hässlich, hatte eine lange Nase und wurde als mürrisch, krank, düster und klug beschrieben.

Gogol hatte das Glück, Alexander Puschkin im Jahre 1831 kennen zu lernen, der zu seinem Freund und Förderer wurde, und ihn dazu angeregt haben soll, Die toten Seelen zu schreiben.

Zwei seiner Erzählungen halte ich für besonders gut, ja fantastisch. Zum Einen Die Nase , ein Stück grotesker Literatur höchster Güte. Der Verlust einer Nase offenbart die Unsicherheit des Helden, der darob in eine Identitätskrise gerät. Zum Anderen Der Mantel , die Geschichte des Kopisten Akakij Akakijewitsch, dessen Leben von Langeweile gekennzeichnet ist, welche er gar nicht wahrnehmen will. Für seine Kollegen ist er ein Objekt des Spottes. Er muss viele Mühen auf sich nehmen, um sich einen Mantel leisten zu können. Dieser Mantel verwandelt ihn von einer Sekunde zur anderen. Akakij Akakijewitsch ist buchstäblich ein anderer Mensch, und gerade als er beginnt, sich an dieses neue Dasein zu gewöhnen, wird ihm der heißgeliebte Mantel gestohlen. Als er sich an eine höhere Stelle wendet, wird er verhöhnt. Er vermag den Verlust seines Mantels nicht zu überwinden, und verfällt schließlich dem Wahnsinn. Bald darauf stirbt er.

Die beiden Erzählungen belegen einmal mehr die Worte von Max Frisch, der einst zugab:
„Ich schreibe mich selbst“. Nicht anders bei Gogol, dessen Helden mehr oder weniger Bezug zu ihm selbst aufweisen.

Gogol geriet in die Fänge eines Priesters, der seine Schriften nicht guthieß, woraufhin der Schriftsteller den zweiten Teil der toten Seelen verbrannte, was er nur wenig später tief bedauerte. Gogol mag so stark religiös indoktriniert worden sein, dass er schließlich an den Folgen strengen Fastens verstarb.

Ein Mitgrund für sein frühes Ableben im Alter von knapp 43 Jahren mögen seine schizophrenen Züge gewesen sein, die in der damaligen Zeit nicht ausreichend behandelt werden konnten. Er hat einige wunderbare Grotesken geschaffen, und mit den toten Seelen ein Werk, das in die Weltliteratur einzuordnen ist.

Freitag, 27. März 2009

Disziplin - und wo bleibt das Marketing?

Nach dem Ende der diesjährigen Leipziger Buchmesse wurde ein „Nachtstudio“ im ZDF ausgestrahlt, das dem Thema „Bestseller-Boom“ gewidmet war. Hierbei wurde viel darüber gesprochen, was einen Bestseller ausmachen mag, und mit welcher Inbrunst die anwesenden AutorInnen (u.a. Julia Franck und Moritz Rinke) an ihren Romanen schreiben. Also, Disziplin ist das Gebot der Stunde, und jeden Tag muss irgendetwas für den Roman getan werden… Überhaupt sei es eine beschwerliche, langwierige Arbeit, die mindestens zwei Jahre betrieben werde, und bei der es gelte, nie die Aufmerksamkeit für Figuren und Handlungsstränge zu verlieren. Abgesehen davon, dass sicher nicht jeder Roman-Autor mindestens zwei Jahre an einem Roman schreibt, stellt sich mir auch die Frage, warum nur auf Romane als Bestseller eingegangen worden ist? In Leipzig wurden ja auch sehr viele Sachbücher und Fachbücher vorgestellt, und es ist bekannt, wie viele Nicht-Romane ganz oben in den Bestseller-Listen stehen.

Nun gut, die Sendung war durchaus informativ und interessant, aber ein nicht unwesentliches Faktum wurde völlig ausgespart: Wie kann so ein Bestseller eigentlich entstehen, und wieso wird ein Roman – oder was für ein Buch auch immer – ein Bestseller? Fällt ein Bestseller einfach vom Himmel, und die Menschen reißen sich darum, das Ding zu kaufen und es im besten Fall sogar zu lesen? Steckt da Strategie des Autors dahinter, der haarklein die weitgestreuten Interessen einer möglichen Leserschaft kennt? Nein, nein, so einfach ist die Sache ja doch nicht. Ohne Marketing kann kein noch so großartiges Stück Literatur in großen Mengen verkauft werden. Andererseits gibt es viele wunderbare Romane, die kaum Käufer finden, weil sich die Verlage kein ausuferndes Marketing leisten können. Großzügiges Marketing können ausschließlich jene Verlage betreiben, die als Konzerne organisiert sind, wobei ich jetzt keine Namen nennen will. Eine andere Möglichkeit besteht noch darin, dass der Autor / die Autorin über sehr viele Kontakte verfügt und einer oder mehrere dieser Kontakte im besten Falle weltweit die Fühler ausstreckt, und die Werbetrommel rührt, auf dass diese Botschaft weiter und weiter und weiter geht…

Ein Bestseller muss keineswegs ein großartiges Stück Literatur sein, worauf sich die Diskussionsteilnehmer einigen konnten. Wie es sein kann, dass vier Gesprächsteilnehmer und der Gastgeber kein Wort über das Thema Marketing verlieren finde ich merkwürdig. Oder ist das so selbstverständlich, dass damit kein Zuschauer gelangweilt werden soll?

Die Leipziger Buchmesse diente freilich den Verlagen und damit auch den AutorInnen als wichtige Werbefläche. Aus Sicht einer Bestseller-Autorin oder eines Bestseller-Autors vielleicht eine Binsenweisheit, auf die kein Gedanke verschwendet zu werden braucht. Allerdings kann es in Zeiten des weltweiten Netzes schon passieren, dass ein Roman durch dessen Präsenz bei Online-Buchhändlern und damit einhergehende Bekanntheit – am besten gepaart mit einer spannenden, leicht auffindbaren Thematik – eine Eigendynamik entwickelt und tatsächlich zum Bestseller aufsteigen kann. Ein gutes Beispiel hierfür ist „Das Jesus Video“ von
Andreas Eschbach, auf das ich ohne das weltweit gesponnene Netz nicht aufmerksam geworden wäre.

Dienstag, 24. März 2009

Literatur-Universum, Teil 8: Henning Mankell

Es begann damit, dass ich einen Buch-Katalog in die Hände bekam, und durchblätterte. Zum damaligen Zeitpunkt (an irgendeinem Tag Ende der 1990´er Jahre) hatte ich kein Buch in petto, sodass ich mich also auf die Suche machen musste. Ich wollte mich mit Gegenwartsliteratur auseinander setzen. Und dann tauchte also „Mittsommermord“ von Henning Mankell auf. Ich war kein großer Krimi-Leser, schaute mir viel lieber Krimis im Fernsehen an (was ich immer noch sehr gerne tue), und es war eine buchstäbliche Notlösung, mir diesen Roman zuzulegen, weil ich irgendwie keine andere Idee hatte, und mich zudem vorübergehend mit keinem weiteren Klassiker herumschlagen wollte.

Ich war von der ersten Seite an von diesem Krimi begeistert. Dieser schrullige Wallander als Hauptfigur eroberte mein Leser-Herz im Sturm. Die Geschichte erzeugte einen Sog, dem ich mich gar nicht entziehen wollte. Freilich blieb es nicht bei diesem einen Wallander-Roman. In den folgenden Monaten und Jahren las ich sämtliche Krimis mit dieser Ermittlerfigur, und kann nunmehr behaupten, dass Henning Mankell zum erweiterten Kreis meiner Lieblingsautoren zählt.

Die Auseinandersetzung mit den Autoren der Bücher, die ich lese, ist mir sehr wichtig. Ich interessiere mich für die Lebensläufe, und die Inspirationsquellen. Henning Mankell ist gut die Hälfte des Jahres in Mocambique, wo er Theaterprojekte initiiert und umsetzt. Neben seinen Wallander-Krimis gehören auch einige Afrika-Romane zu meinen Lieblingsbüchern, insbesondere „Der Chronist der Winde“ und „Das Geheimnis des Feuers“. Mankell kann als Vielschreiber bezeichnet werden, sodass ich außerstande bin, jeden seiner Romane als gelungen zu bezeichnen, wobei ich zugeben muss, keineswegs sämtliche Bücher gelesen zu haben, welche von ihm stammen. Überhaupt gibt es nur wenige Autoren und Autorinnen, wo ich bemüht bin, das Gesamtwerk zu kennen. Nun gut, mit „Der Chinese“ schuf Mankell ein Werk, das ich als schwach einstufe.

Seinerzeit hatte ich vor, eine Wallander-Fanpage im Internet einzurichten, aber da ist mir ein junger Mann zuvorgekommen. Ist aber absolut in Ordnung, so konnte ich mich auf andere Projekte konzentrieren.

Dienstag, 17. März 2009

Literatur-Universum, Teil 7: Josef Winkler

Bücher getauscht habe ich in meinem ganzen Leben erst einmal, und hierbei gelangte ich in den Besitz von „Friedhof der bitteren Orangen“. Dafür gab ich einem jungen Mann „Ariel“ von Sylvia Plath.

Es ergab sich, dass wir beide unsere Bücher nicht mehr zurückbekamen, und nunmehr also ein tatsächlicher Büchertausch als vollzogen gilt. Beide Werke tauchen in die Abgründe der menschlichen Existenz hinab, und hanteln sich durch Gegenden, in denen das Grauen herrscht. Ich nahm mir den Roman von Josef Winkler mit in den Urlaub nach Griechenland, und las ihn mit wachsendem Erstaunen.

Die Konfrontation mit Romanen und Erzählungen von Josef Winkler hat immer eine tragische Komponente an sich. Hier wird keine heile Welt erzählt, hier spielen sich Dramen ab, die sich in den Köpfen der Leser festsetzen. Es geht um Selbstmord, Leichenverbrennungen, Tod, Ängste, Missbrauch und traumatische Erfahrungen. Josef Winkler arbeitet punktgenau, und jeder Satz signalisiert eine in sich geschlossene Welt. Nichts ist dem Zufall überlassen, alles drängt in die Welt hinaus und will beschrieben sein.

Josef Winkler zählt zweifellos zu den erstaunlichsten Autoren im deutschsprachigen Raum. Seine Sprache macht Schaudern, geht weit über das hinaus, was zwischen Buchdeckeln eingezwängt ist. Die Fantasie des Lesers kann sich in Gebiete vorarbeiten, wo der Wahnsinn regiert. Positive Erkenntnisse stellen sich dann ein, wenn die Geschichten nicht dazu verführen, zu tief in die Abgründe von tragischen Lebensentwürfen hineingezogen zu werden.

Ich habe neben „Friedhof der bitteren Orangen“ nur wenige Romane von Josef Winkler gelesen. Der Drang, das Buch zuzuklappen, und die Lektüre abzubrechen, war und ist nie so stark wie bei Romanen von Josef Winkler. Es ist teilweise schwer auszuhalten, doch es kann ein Gewinn sein. Jeder Leser mag seinen eigenen Zugang zu diesem Autor finden.

Montag, 9. März 2009

Literatur-Universum, Teil 6: Stephen King

Meine Jugendjahre als Leser waren weitgehend von Romanen bestimmt, die ein gewisser Stephen King geschrieben hatte. Es kommt mir heute sogar so vor, als hätte ich damals außer diesen Horror-Schinken nichts anderes gelesen. Nach einer Pause von vielen Jahren las ich als reiferer Leser dann noch „Das Lesen und das Schreiben“, eine Lektüre, die ich mit besonderem Interesse in mich aufsog. Sozusagen zum Drüberstreuen folgte dann noch der Roman „Das Mädchen“.

Stephen King ist nicht von ungefähr der „König des Horrors“. Und ich betrachte seine Werke weitgehend als literarisch wertvoll. Aber irgendwann führten meine Pfade als Leser weit weg von Horror-Literatur, wie sie Stephen King so meisterhaft beherrscht. Ich wendete mich Bram Stoker und Mary Shelley zu, las also Klassiker. Aber vergessen werde ich die Romane von Stephen King nie, möglicherweise sogar irgendwann wieder ausgraben, und ein weiteres Mal lesen.

Von besonderer Qualität ist King´s „Es“. Er beschreibt die Lebensläufe von jungen Menschen, und verwebt diese kunstvoll mit deren späteren Leben als Erwachsene in den mittleren Jahren. Der gemeinsame Kampf gegen „Es“ hat mich viele Stunden in seinen Bann gezogen. Stotter-Bill ist eine der tragischsten Figuren, denen ich in Romanen begegnet bin. Ich habe „Es“ im Alter von 17 Jahren gelesen, und ich kann mich noch gut erinnern, die Lektüre für einige Wochen unterbrochen zu haben. Doch ich begann nach der längeren Pause nicht nochmals von vorn zu lesen, was ich bei einigen anderen Romanen durchaus getan hatte. Die Unterbrechung muss mir gut getan haben, denn ich war sehr schnell wieder mitten im Geschehen.

Die Verfilmungen der Bücher von Stephen King finde ich zum Teil auch sehr gut gelungen.
Insbesondere „Shining“, „Carrie“ und „Sie“. Enttäuscht bin ich von der filmischen Adaption von „Es“, wenngleich es durchaus einige gute Szenen zu bestaunen gibt.

Wenn mich wer fragen würde, welches Buch mich als junger Mensch besonders fasziniert hat, so würde ich getrost und wie aus der Pistole geschossen mit „Es“ antworten.

Montag, 2. März 2009

Literatur-Universum, Teil 5: Titus Müller

Die nachhaltigste Beziehung zu einem Autor verbindet mich mit Titus Müller. Ich lernte ihn anlässlich eines Autoren-Seminars kennen, das er selbst im Jahr 2000 initiiert hatte. Ein Jahr später zog es mich noch einmal nach Berlin. Wichtige Persönlichkeiten der Literatur-Szene wie Andreas Eschbach, Sandra Uschtrin, und Horst Bosetzky waren Referenten des erwähnten Seminars. Titus Müller erzählte damals davon, dass er mit einer Literaturagentur in Verbindung sei. Nur wenig später hat es mit der Veröffentlichung seines ersten Romans geklappt. Die Zusammenarbeit mit der Literaturagentur hatte sich also gelohnt.

Das besondere Verhältnis zu Titus Müller erklärt sich dadurch, dass er für eine kurze Zeit einen Verlag für E-books führte, und in diesem Rahmen meine Erzählung „Nennt mich Sebastian, den Erwachten“ erschien. Titus Müller hat meinen Text persönlich lektoriert. Hierbei wurde der Gesamtausdruck des Typoskripts mehrmals zwischen Deutschland und Österreich hin und her geschickt. Durch die Korrekturen von Titus gewann die Erzählung zweifellos an Dichte und Potenzial, wobei ich jedoch nicht jede einzelne Korrektur befürwortete. Es war also eine für beide Seiten interessante Erfahrung.

Ich verfolge nunmehr natürlich die Entwicklung von Titus Müller als Autor, schaue mir seine Sendungen als Moderator von „Auserlesen“ an, muss aber zugestehen, erst einen Roman des Autors gelesen zu haben. Der Grund hierfür ist recht einfach: Ich lese normalerweise keine historischen Romane. Die Ausnahme von der Regel ist „Die Todgeweihte“, wobei es der Zufall wollte, dass dieser Roman von meiner Freundin anlässlich eines Einkaufsbummels in der Weihnachtszeit entdeckt wurde. Ich habe „Die Todgeweihte“ gerne gelesen, was hauptsächlich damit zusammenhängt, dass die Hintergründe reale Ereignisse in Basel im 14. Jahrhundert widerspiegeln. Die Pest raffte damals unzählige Menschen dahin, und die Juden wurden als Sündenböcke hingestellt. Titus Müller schafft es sehr gut, die Atmosphäre dieser Zeit darzustellen. Die Dreiecks-Liebesgeschichte finde ich weniger gelungen, was aber keine so große Rolle spielt.

Freitag, 20. Februar 2009

Literatur-Universum, Teil 4: Andreas Eschbach

Im Jahr 2000 Anfang Oktober lernte ich Andreas Eschbach anlässlich eines Autoren-Seminars in Berlin persönlich kennen. Ich hatte Glück gehabt. Es hatte nämlich sehr viele Anmeldungen für das Seminar gegeben, und ich war eine Zeit lang auf der Warteliste gestanden. Als einer der letzten Autoren war es mir dann möglich, mich am Workshop zu beteiligen.

Andreas Eschbachs Buch „Das Jesus Video“ war viele Wochen, wenn nicht Monate, auf Platz eins der Bestseller-Liste auf Amazon geprangt. Aufgrund meiner Affinität zu Religion, Theologie und überhaupt dem christlichen Glauben hatte ich mir das Buch besorgt, und rasch gelesen. Ich war nicht voll und ganz damit zufrieden. Die Idee jedoch ist großartig: Bei Ausgrabungen wird ein Videoband gefunden, das Aufzeichnungen von Jesus Christus beinhaltet. Eine der wunderbarsten Stellen des Romans ist jene, wo Menschen beschrieben werden, die das Video gesehen haben. Und im Endeffekt wird freilich auch dem Leser die Frage gestellt: Wie wäre es, wenn du ein Video sehen könntest, das Jesus Christus zeigt? Nicht irgendeinen Schauspieler, sondern Jesus Christus höchstpersönlich?!

Ich brachte im Anschluss an die Vorlesung von Andreas Eschbach auch ein paar kritische Anmerkungen in die Diskussion ein, und erwähnte Schwachpunkte, welche die Geschichte meiner Meinung nach aufweist. Und ich erwähnte auch, dass aus dieser zweifellos großartigen Idee viel mehr hätte gemacht werden können. Teilweise verflacht die Handlung stark oder es werden Nebenaspekte beschrieben, die nicht unbedingt für Furore sorgen. Zu meiner positiven Überraschung gestand Andreas Eschbach auch ein, dass er sich gewisser Schwächen des Romans bewusst sei, und sich bemühe, es bei seinem nächsten Roman besser zu machen.

Wenig später erschien dann „Eine Billion Dollar“, ein Roman, der wohl auch im objektiven Sinne um ein oder zwei Klassen höher als „Das Jesus Video“ eingeschätzt werden muss. Hier erbt ein junger Mann die stattliche Summe von einer Billion Dollar, und der Roman beschreibt auf bravouröse Weise, wie sich der Protagonist aufgrund seines plötzlichen Reichtums verhält, was er tut, was er unterlässt. Eingewoben in die spannende Handlung sind durchaus scharfe Kritiken am weltweiten Finanzsystem, und es wird sehr plastisch dargestellt, wie die Schere zwischen reichen und armen Menschen, reichen und armen Ländern durch bestehende Systeme, welche Menschen auf dieser Welt beherrschen und anwenden, ausgeweitet wird.

Ich habe die Vorlesung von Herrn Eschbach noch sehr gut in Erinnerung, und habe mit ihm danach sogar einige Male Mails ausgetauscht. Mittlerweile hat er – wie er selbst mal auf seiner Homepage schrieb – nicht mehr die Zeit, jede Mail zu beantworten. Wobei besonders hervorzuheben ist, dass er sämtliche wichtigen Fragen und Antworten auf seine HP gestellt hat, die für Autoren und Leser von Bedeutung sein mögen. Er bleibt also im Grunde keine Antwort schuldig. Insbesondere sein Roman „Eine Billion Dollar“ ist absolut empfehlenswert.

Donnerstag, 12. Februar 2009

Literatur-Universum, Teil 3: Ethan Hawke

Für mich zählt „Club der toten Dichter“ zu meinen absoluten Lieblings-Filmen, und als ich davon Kenntnis bekam, dass einer der wichtigsten Darsteller, nämlich Ethan Hawke, einen Roman geschrieben hat, musste ich mir das Buch sehr schnell zulegen.

Ich weiß nicht, ob es an der deutschen Übersetzung liegt, jedoch kann ich nicht behaupten, mich bei dieser Lektüre besonders amüsiert zu haben („Hin und weg“, deutscher Titel). Eher langweilig, doch durchaus immer wieder interessante Sequenzen zwischendurch. Ein Roman-Debut eines für Hollywood ziemlich eigenwilligen Menschen, der mit seiner Filmfigur Todd Anderson nichts gemeinsam haben mag.

Der Grund, warum ich an diesen Erstling von Mister Hawke gerne zurückdenke, liegt an einem kleinen Erlebnis, das ich hatte, als ich in der Straßenbahn sitzend die Lektüre auf mich wirken ließ. Neben mir saß nämlich über eine längere Fahrtstrecke ein Mann, der erst kurz vor dem Aussteigen (Endstation) das Wort an mich richtete. An den genauen Dialog kann ich mich nicht mehr erinnern, doch er erzählte mir davon, dass er Ethan Hawke anlässlich des Films „Before sunrise“ persönlich kennen gelernt habe.
„Ich hatte eine kurze Szene, wo ich einen Koffer zu tragen habe, und da kommt es zu einem kleinen Kontakt mit Ethan Hawke.“ (es handelt sich um eine Szene, die auf einem Bahnsteig gedreht wurde)

„Before sunrise“ ist ein Film, der in Wien spielt, und vielleicht aus diesem Grund von mir besonders geschätzt wird. Ethan Hawke spielt einen jungen Amerikaner, der in einem Zugabteil zufällig auf eine bildhübsche Französin – July Delpy – trifft, und die beiden beschließen, nicht sofort weiter nach Hause zu fahren bzw. zu fliegen, sondern in Wien Zwischenstation zu machen, und dort einen Tag und einen Großteil der Nacht zu verbringen. Die Konfrontation zwischen zwei Menschen, die sich vom ersten Moment an sehr gut verstehen, und wunderbar schräge Erlebnisse miteinander teilen, vertieft sich zu einer Liebesgeschichte, welche nach nur wenigen Stunden endet. Viele Jahre später folgte dann auch tatsächlich ein zweiter Film namens „Before sunset“, wo sich die beiden ehemaligen Turteltäubchen tatsächlich nochmals – zufällig in Paris – treffen.

Dem Zufall war es also zu verdanken, dass ich in einer Straßenbahn neben einem Mann saß, der gemeinsam mit Ethan Hawke eine Szene für „Before sunrise“ gedreht hatte. Freilich hätte mich der Mann nie angesprochen, wenn er nicht auf meine Lektüre aufmerksam geworden wäre. Die Welt ist klein, und ich würde in diesem Fall wie in vielen anderen Fällen auch nicht auf einen „reinen Zufall“ tippen. Im kleinen Universum einer Straßenbahn trug sich eine Begegnung zu, die wohl auch mein Gesprächspartner nicht vergessen haben sollte. Wenn doch, was ich freilich nicht überprüfen kann, dann wäre es schade…

Den zweiten Roman von Ethan Hawke mit dem Titel „Aschermittwoch“ habe ich übrigens bis heute nicht gelesen. Vielleicht sollte ich es mal nachholen, und dann taucht der Mann wie aus dem Nichts nochmals auf. Sollte jemand der Auffassung sein, dass dies nicht möglich sei, der lese mal im „roten Notizbuch“ von Paul Auster. Es gibt Zufälle, die es eigentlich gar nicht geben kann, aber es gibt sie doch! Das Leben hält immer wieder Überraschungen für uns bereit, wir Menschen müssen nur offen dafür sein…

Donnerstag, 5. Februar 2009

Literatur-Universum, Teil 2: John Steinbeck

Vielleicht hätte ich John Steinbeck nie entdeckt, wenn Bruce Springsteen nicht gewesen wäre. Nein, der „Boss“ hat mich nicht angerufen, und mir John Steinbeck anempfohlen, aber es war so ähnlich.

Eines Tages erfuhr ich, dass Bruce Springsteen ein neues Album heraus brächte. Der Titel des Albums lautete „The ghost of Tom Joad“. Tom Joad ist der Held bzw. – wenn man so will – „Anti-Held“ aus Steinbeck´s „Früchte des Zorns“. Also machte ich mich auf, und kaufte mir die CD. Ich war von Anfang an insbesondere vom Titelsong begeistert. Die berühmte Passage (davon wird noch die Rede sein) berührte mich tief. Ich kannte Bruce Springsteen nicht als Sänger von Balladen, doch wenige Monate nach Erscheinen von „The ghost of Tom Joad“ begab ich mich zu einem Konzert, das mir unvergesslich bleiben würde.

Bruce Springsteen spielte sehr leise Töne. Und mit der Interpretation von „The ghost of Tom Joad“ vermittelte er mir das Gefühl, ein ganz großer Musiker zu sein. Freilich, ich hätte es vorher schon wissen können, dass Bruce nicht umsonst „Boss“ genannt wird, doch es ist dieses stille Album, das ich nach wie vor ganz besonders an seinem musikalischen Werk schätze. Die Konzert-Besucher erwarteten zum Teil, dass er groß aufrocken mochte, aber Pustekuchen: Es blieb kein Stein auf dem Anderen, Bruce Springsteen wollte Tom Joad die Ehre erweisen, und er tat es.

Die Figur des Tom Joad ist es, durch die ich „Die Früchte des Zorns“ zu schätzen gelernt habe. Der Roman hat ohne Frage insgesamt eine starke Energie in sich, die Leser auf aller Welt begeistern mag, aber die Initialzündung, die unglaubliche Präsenz des Romans beruht absolut auf diesem ver-rückten Kerl, der in die Literaturgeschichte eingegangen ist.

Mom wherever there's a cop beatin' a guy
Wherever a newborn baby cries
Where there's a fight 'gainst the blood and hatred in the air
Look for me Mom I'll be there
Wherever there's somebody fightin' for a
place to stand
Or decent job or a helpin' hand
Wherever somebody's strugglin' to be free
Look in their eyes Mom you'll see me.

(John Steinbeck)

Wer „Die Früchte des Zorns“ liest, der wird Freundschaft mit Tom Joad schließen, außer der Leser hat ein Herz aus Stein.

Ich habe dann noch einige weitere Werke von John Steinbeck gelesen. „Jenseits von Eden“ ist ein bombastischer Roman, absolut, „Von Mäusen und Menschen“ lebt von der Darstellung einer ungewöhnlichen Freundschaft, doch „Die Früchte des Zorns“ zeigen auf eine zum Herzerweichen schöne Weise, was es bedeutet, das Leben zu lieben, und den Tod nicht als Feind zu sehen.

Dienstag, 27. Januar 2009

John Updike





Seine Rabbit-Romane gehören zum literarisch anspruchsvollsten, das ich je gelesen habe. Nach dem ersten Band ist es ein Ding der Unmöglichkeit, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Es muss weitergehen, es muss der nächste Schritt gegangen sein. Und als dann viele Jahre nach dem vierten Roman noch ein fünfter erschien, verabschiedete sich Harry auf spektakuläre Weise.

John Updike galt viele Jahre als Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis und er hätte ihn sich redlich verdient. Er brach mit seinen Romanen einige Tabus, insbesondere überschritt er Grenzen sexueller Darstellung. Doch er tat dies nie auf obszöne Weise. Er ließ seine Leser am Leben von Menschen teilhaben, die zwar irgendwo in den U.S.A. leben mochten, jedoch genauso in Buxtehude oder Unterstinkenbrunn vorstellbar sind. Natürlich brachte es Harry zu einem gewissen Reichtum, genoss diesen aber nicht wirklich. Innere Befindlichkeiten haben mit äußerer Absicherung nichts zu schaffen. Und so hat also auch Harry sein Päckchen zu tragen, und wir Leser können ihm dabei über die Schulter schauen.

John Updike schrieb eine ungewöhnliche Autobiographie, die in deutscher Übersetzung mit
„Selbst-Bewusstsein“ betitelt ist. Er ermöglichte seinen Lesern Einblicke in das Leben eines Autors, der auch nur ein Mensch ist.

Harry Angstrom ist – und mit dieser Meinung stehe ich sicher nicht alleine da – eine der erstaunlichsten Figuren der Literaturgeschichte. Ein Mensch mit Ecken und Kanten, der über eine lange Strecke seines Lebens und insgesamt fünf Romane lang entdeckt werden kann. Dennoch wird kein Leser sagen können, was von Harry zu halten ist. Denn er ist – richtig – ein Mensch, und kein Mensch lässt sich auf einen Punkt zusammenfassen, lässt sich auf eine Wand projizieren und objektiv verwerten. Harry Angstrom hat Schwächen und Stärken, die nicht verallgemeinert werden können. Jeder Mensch ist einzigartig, und bekanntlich würde jedes Menschenleben ganze Bücher füllen. Mit Harry Angstrom füllt eine erfundene Figur, die jedoch durchaus irgendwo auf der Welt schon existiert haben wird, existiert oder existieren wird, fünf Romane, und wir Leser dürfen dafür dankbar sein.

John Updike verstarb im Alter von 76 Jahren an den Folgen von Lungenkrebs. Mit Harry Angstrom hat er eine Figur geschaffen, über die sich noch viele Generationen von Lesern freuen und ärgern werden.

Dienstag, 20. Januar 2009

Barack Obama und vom Ende eines Desasters


Der Beginn der Ära Obama hat eine acht Jahre andauernde Amtszeit eines gewissen George W. Bush beendet, der als schlechtester Präsident, den die U.S.A. je gehabt hat, in die Geschichte eingehen mag. Die kleinen Komplimente, welche Obama in seiner Rede an seinen Vorgänger erteilt hat, ändern nichts daran, dass er sich kaum den Schwarz-Weiß-Denker Bush jun. als „Vorbild“ einprägen wird. Na ja, vielleicht schon in dem Sinne, alles genau in die andere Richtung lenken zu wollen…

Ich hätte mir nicht gedacht, nochmals einen Beitrag über Obama zu schreiben, doch ich muss gestehen, heute durchaus in festlicher Stimmung gewesen zu sein. Es lag etwas in der Luft, und ich bin davon überzeugt, dass ich per TV-Schirm miterleben konnte, wie Geschichte geschrieben wird. Die Antrittsrede von Obama war keineswegs überragend. Er sagte nichts, das er nicht ohnehin schon während seines Wahlkampfes kundgegeben hätte. Doch war es sehr berührend, den langjährigen Freund von Martin Luther King ein Gebet sprechen zu sehen, und der Auftritt der Lyrikerin Elizabeth Alexander verdeutlichte die historische Dimension der Amtseinführung von Obama auf besonders eindrückliche Weise.

http://www.nytimes.com/2009/01/20/us/politics/20text-poem.html?ref=books

Über den Inhalt der Rede wurde gleich nach deren Ende sehr viel von allen möglichen Zeitungen verkündet. Entscheidend war aber, wie der neue Präsident der U.S.A. diese Rede vortrug. Er signalisierte durch seine Körperhaltung und mit der Festigkeit seiner Stimme, dass er gewillt sei, das in Angriff zu nehmen, was er den Menschen in den U.S.A., aber auch weltumspannend, im Wahlkampf signalisiert hatte.

Obama hat sehr viel vor sich, und ob es ihm gelingen wird, auch nur die groben Schäden auszumerzen, die sein Vorgänger mitverantwortlich verursacht hat, ist eine große Frage. Sein Team ist keineswegs durchgehend von revolutionärem Geist getragen. Manches scheint im Sinne einer Verwirklichung nicht vorstellbar. Doch es gibt einige sehr wichtige Ansätze, durch die ein neues Bewusstsein in die Köpfe der Menschen einziehen mag, die sich unsagbar viel von Barack Obama erwarten. Er gibt den Menschen Hoffnung, er lässt sie nicht im Regen stehen, er ist bereit, im Rahmen seiner Möglichkeiten Zustände zu ändern, welche die Menschen vor Schreck erstarren ließen.

Ich bin voller Hoffnung, dass der neue Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein berühmtes „Change“ im mancherlei Hinsicht umsetzen wird können. Die Verantwortung gerade gegenüber den Armen auf dieser Welt ist ihm bewusst, und vielleicht wird er auch erneuerbare Energien verstärkt fördern, und das Kioto-Protokoll unterschreiben.

Aber Barack Obama ist kein Zauberer, der von heute auf morgen die Welt aus ihren Angeln heben wird. Er sprach davon, dass es einige Jahre dauern wird, bis der „Change“ einsetzt. Wenn er die Gelegenheit bekommt, zwei Amtszeiten lang die Geschicke des mächtigsten Landes der Welt zu lenken, dann möge er einige Ziele erreichen, durch die er Milliarden Menschen nachdrücklich in Erinnerung bleiben wird als ein Präsident, der einen Traum hatte, und diesen wenigstens in spezifischen Aspekten umsetzen konnte.

Montag, 19. Januar 2009

Edgar Allan Poe

Obzwar ich durchaus anfällig für Horror-Geschichten bin, hat es ziemlich lange gedauert, bis ich mir einen Sammelband der besten Storys von Edgar-Allen Poe zulegte. Mit Poe kam ich über den Film „Lebendig begraben“ erstmals in Beziehung, der jedoch kein allzu Großes Grusel-Potenzial aufweist.

Ja, ich muss zugestehen, mich am Intensivsten mit einer CD („Visionen“) beschäftigt zu haben, auf der einige Leckerbissen enthalten sind. So kommt etwa die Originalversion von „The raven“ durch den Vortrag von Christopher Lee zu besonderen Ehren. Die Interpretationen von Texten durch einige Sängerinnen und Sänger sind zum Teil auch recht gut gelungen.

Und dann habe ich mal eine Zeichentrick-Version des „Raben“ gesehen, welche mich ziemlich begeisterte.

Anlässlich des 200. Geburtstages von Edgar-Allen Poe fällt mir auf, wie selten ich mich mit diesem Meister des Grauens beschäftigt habe. Vielleicht wage ich mich dieses Jahr ja noch einmal in die Höhle des Löwen und gehe mit auf die Reise in eine der schrecklichen Welten, die Edgar-Allen Poe seiner geneigten Leserschaft für besondere Stunden anbietet.

Sonntag, 18. Januar 2009

Zum Jubiläum: Literatur-Universum, Teil 1: Kafka

Jetzt, wo das Kafka-„Gedenkjahr“ vorbei ist, ist auch klar, dass dieses Jubiläum kaum bis gar nicht gefeiert wurde. Der Zufall wollte es, und ich war in einem Zeitraum in Prag, wo ich hätte mitbekommen müssen, inwiefern Veranstaltungen anberaumt sind, welche an Franz Kafka und seine genialen literarischen Fähigkeiten erinnern. Aber nichts wies auf seinen 125. Geburtstag hin!

Nicht, dass es mir nicht schon letztes Jahr aufgefallen wäre. Ich hatte insgeheim immer auf eine große Gedenkveranstaltung gehofft, aber Pustekuchen. Und nun ist das Jahr 2008 Geschichte und es ist nun in Stein gemeißelt, dass Franz Kafka offenbar in Prag und auch in Österreich ignoriert wurde. Vielleicht gab es da oder dort eine winzige Veranstaltung, die mir entgangen ist, doch irgendwie kann ich das nicht glauben…

Ich schrieb mal von einer Veranstaltung, bei der Klaus Wagenbach eingeladen worden war. Er las aus seiner Jugendbiographie von Franz Kafka. Es war völlig absurd, zu sehen, wie sich eine Menge Leute von dieser Lesung abhalten ließen, nur weil kurz zuvor ein Gewitter über Wien niedergegangen war. Die Liste mit den Eingeladenen sah ich, weil mein Name von einem Angestellten der Buchhandlung abgehakt wurde. Und viele Häkchen gab es an diesem Abend nicht.

Franz Kafka schrieb nicht nur über sich selbst, sondern er beschrieb die Menschen, die ihm tagtäglich auf der Straße begegneten. Er machte aus winzigen Beobachtungen große Literatur, beschäftigte sich mit kleinen Eigenheiten von Menschen, die er nur ein einziges Mal gesehen hatte. Er wusste gleichermaßen, dass es ein Desaster für ihn war, auch einer eklatanten Selbstbeobachtung ausgeliefert zu sein. Doch er ließ nicht davon ab, war zu sich in einer Weise ehrlich, sodass ihm oft vor der Fratze schauerte, die er sich vor das Gesicht hielt. Franz Kafka opferte sich für die Literatur auf, und die Literatur versperrte ihm weitgehend den Zugang zum Leben, welches keine Begleiterscheinung des Schreibens sein darf.

Ich hatte von Franz Kafka und seinen Werken keine Ahnung, als mich ein Fräulein während einer Deutsch-Stunde fragte, was ich vom „Urteil“ hielte. Ich war knapp 19 Jahre alt, und hatte eben erst begonnen, das Schreiben als Möglichkeit einer Selbsttherapie zu entdecken. Da knallte mir das Fräulein diese Geschichte um die Ohren, und fragte mich um mein „Urteil“. Ja, und ich tat so, als würde ich die Geschichte kennen… Als Literatur-Kenner und besonders guter Schüler – wenigstens im Unterrichtsfach Deutsch – war ich nicht verrufen, aber doch dazu verdammt, weit über den Horizont meiner damaligen literarischen Erkenntnisse und Erfahrungen hinaus eine gewisse Qualität zu suggerieren, die sich in meinen Deutsch-Schularbeiten manifestierte. Nein, ich wollte das Fräulein nicht enttäuschen, und beantwortete ihre Frage nach dem Sinn dieser Erzählung damit, dass es unmöglich sei, diese Sprache, diese Erzähltechnik, diese Hintergründigkeit, diese Geheimnisse, zu decodieren.

Es sollte dann viele Jahre dauern, bis ich dessen gewahr wurde, dass meine „Notlüge“ von anno dazumal durchaus den Nagel auf den Kopf getroffen haben mochte, denn ich musste einige Sekundärliteratur Franz Kafka betreffend lesen, ehe ich zumindest in Ansätzen die Welt, an der er sich die Zähne ausbiss, ein wenig verstehen konnte. Damit ist freilich nicht die „objektiv sichtbare“ Welt gemeint, sondern seine Welt, wie er sie im konstruktivistischen Sinne, doch genau so introspektiv wahrnahm.

Das Fräulein ermöglichte also meinen Eintritt in das Kafka-Universum. Sie schenkte mir sozusagen eine Eintrittskarte, und mittlerweile habe ich den freien Eintritt zu nutzen gewusst, und falls mir das Fräulein mal auf der Straße begegnen sollte, werde ich ihr erzählen, was ihre kleine Frage nach dem „Urteil“ in mir ausgelöst hat.

Montag, 12. Januar 2009

Bilanz des Literaturexperten

Seit über vier Jahren blogge ich fröhlich vor mich hin, und aus gegebenem Anlass ist es nun Zeit, Bilanz zu ziehen. Es geht mir nicht um Klicks, Besucher und also um eine besondere Präsenz des Blogs. Damit bin ich recht zufrieden, und ich strebe ohnehin nicht an, das bestbesuchteste Blog des Universums zu betreiben.

Nein, es verhält sich so, dass bald ein kleines Jubiläum ansteht, und zwar in Gestalt des 250. Blog-Eintrages (eingerechnet freilich mein alter Blog), und ich habe mir die Mühe gemacht, Nachschau zu halten, wie es sich mit den Beiträgen hinsichtlich der literarischen Aspekte verhält. Zu meiner Überraschung, die jedoch irgendwie vorhersehbar war, beziehen sich nur ca. 12 Prozent meiner Blog-Beiträge direkt oder indirekt auf literarische Themen bzw. das Schreiben an sich. Damit kann der Literaturexperte freilich nicht zufrieden sein! Es tummeln sich viele Beiträge mit sportlichem Hintergrund (mindestens 12 %), theologischer Hintergründigkeit (auch mindestens 12 %), und insbesondere Alltagsbeobachtungen und gesellschaftskritische Beiträge (sicher über 50 %).

Nun ist es an der Zeit, etwas an den beschriebenen Tatsachen zu ändern, und meinem Status als Literaturexperte gerecht zu werden. Somit wird dieses Jahr ganz im Zeichen von „Einblicken in Literatur-Universen“ stehen. Ich werde also von meinen Erfahrungen als Leser berichten, wie ich mit Autorinnen und Autoren in Kontakt als Leser geriet, und wie ich überhaupt zu dieser Ehre kam. Die Lese-Erfahrungen jedes Menschen auf diesem Planeten sind individuell, und ich werde also meinen Beitrag zum Verständnis in mein Lese-Universum leisten.

Der Literaturexperte widmet sich also voll und ganz der Literatur, und beabsichtigt zudem, in baldiger Zukunft eine HP einzurichten, die sich ganz konkret dem Autor Jürgen Heimlich widmet. Leseproben und sonstige Einblicke in das Leben eines Autors sollen dort gewährleistet sein. Ich habe mir also einiges vorgenommen, und werde bemüht sein, mich diesbezüglich nicht selbst zu enttäuschen.

Der nächste Blog-Eintrag wird also ein Jubiläum darstellen, und schon mal einen ersten „Einblick in Literatur-Universen“ darstellen. Ich werde also ein anderes Gewand tragen als bisher, und auf meinem Pullover wird „Aus dem Leben eines Literaturexperten“ stehen…

Montag, 5. Januar 2009

Zum Tode von Gert Jonke


Es ist noch nicht allzu lange her, da verbrachte ich einen sehr schönen Abend in der „alten Schmiede“ und es lasen mit Gerhard Roth, Wolf Haas und Gert Jonke drei renommierte Autoren aus Österreich. Gert Jonke zeigte auch an diesem Abend seine überbordende Lust an der Sprache, die er wie kein anderer Autor auf diesem Planeten zum Ausdruck brachte. Seine Lesungen hatten immer etwas Ver-Rücktes, grenzsprengendes, über die Literatur hinausgehendes an sich. Es sprach nicht nur der Autor, es sprach gleichermaßen die Privatperson Gert Jonke, der gar nicht anders als Autor denkbar gewesen ist!

Der erste Bachmann-Preis-Träger überhaupt hieß Gert Jonke, und er blieb diesem Wettbewerb auch noch viele Jahre später verbunden, als er eine Laudatio hielt. Die Literatur von Gert Jonke verwuchs so stark mit dem Autor, dass Text und Autor nur miteinander denkbar waren. Ist das so ungewöhnlich, dass ich es erwähne? Vielleicht nicht ungewöhnlich, aber nicht wenige nicht unbekannte Autoren unterscheiden sich in deren Sprachduktus kaum, sind also – traurig, aber wahr – austauschbar. Es ist für keinen Autor einfach, seiner eigenen Sprache näherzukommen, ja überhaupt eine eigene Sprache zu finden, doch Gert Jonke gelang dies mit Bravour.

Mit Gert Jonke hat die literarische Welt in Österreich einen ihrer allerbesten Vertreter verloren. Er verstarb am 4. Jänner 2009 im Alter von nicht einmal 63 Jahren in Wien und wird vielen Leserinnen und Lesern, Kolleginnen und Kollegen schmerzlich fehlen.

Samstag, 3. Januar 2009

New York Times

Seit einigen Wochen beschäftige ich mich fast täglich mit der New York Times. Nicht, dass ich plötzlich eine Lieblings-Lektüre gefunden hätte, die es mit der „Zeitung für Leser“ aufnehmen könnte, nein, es ist die Video-Rubrik, welcher mein verstärktes Interesse gilt.

Im Archiv warten zahlreiche kleine Filme darauf, entdeckt zu werden. Zudem ist es für Kunst-Interessierte ein Leichtes, Interviews mit Autorinnen und Autoren zu finden. Eines meiner ersten Fundstücke war ein Interview mit John Updike, hernach gab es ein brandneues Interview mit Toni Morrison zu bestaunen. Die Film-Rubrik „critics picks“ bietet Unterhaltung auf höchstem Niveau, und abseits von Kunst-Szenerien gibt es auch noch Einblicke in Kochkünste (ja, ja, schon wieder Kunst…) und allerlei skurrile und abseitige Dinge.

Zu verdanken habe ich mein gesteigertes Interesse Jeff, einem Englisch-Trainer der Extra-Klasse. Hätte nie gedacht, dass Englisch lernen so viel Spaß machen kann. Demnächst werde ich mich auch an Hemingway im Original wagen. Ja, so weit ist es mit mir gekommen…

Danke also, Jeff, und ich freue mich schon auf vier weitere Kurswochen! Mittlerweile habe ich die New York Times als eine meiner Lieblings-Seiten im weltweiten Web anerkannt, und manchmal lese ich sogar den einen oder anderen Artikel. Jedenfalls kann ich jetzt nachvollziehen, von welchen Schlagzeilen mein Lieblings-Autor Paul Auster zum Schreiben animiert werden mag. Ich nehme sehr stark an, dass er diese Zeitung täglich – wo auch immer – mit Inbrunst liest.

Und ich nehme mir vor, dran zu bleiben, und die Zeitung längerfristig als Informationsquelle, spannende Lektüre und niveauvolles Unterhaltungs-Medium zu nutzen. Wenn ich von Zeitung schreibe, meine ich natürlich die im weltweiten Web verbreitete Form davon. Mit der Print-Ausgabe wäre ich täglich sicher länger als 24 Stunden beschäftigt…