Freitag, 20. Februar 2009

Literatur-Universum, Teil 4: Andreas Eschbach

Im Jahr 2000 Anfang Oktober lernte ich Andreas Eschbach anlässlich eines Autoren-Seminars in Berlin persönlich kennen. Ich hatte Glück gehabt. Es hatte nämlich sehr viele Anmeldungen für das Seminar gegeben, und ich war eine Zeit lang auf der Warteliste gestanden. Als einer der letzten Autoren war es mir dann möglich, mich am Workshop zu beteiligen.

Andreas Eschbachs Buch „Das Jesus Video“ war viele Wochen, wenn nicht Monate, auf Platz eins der Bestseller-Liste auf Amazon geprangt. Aufgrund meiner Affinität zu Religion, Theologie und überhaupt dem christlichen Glauben hatte ich mir das Buch besorgt, und rasch gelesen. Ich war nicht voll und ganz damit zufrieden. Die Idee jedoch ist großartig: Bei Ausgrabungen wird ein Videoband gefunden, das Aufzeichnungen von Jesus Christus beinhaltet. Eine der wunderbarsten Stellen des Romans ist jene, wo Menschen beschrieben werden, die das Video gesehen haben. Und im Endeffekt wird freilich auch dem Leser die Frage gestellt: Wie wäre es, wenn du ein Video sehen könntest, das Jesus Christus zeigt? Nicht irgendeinen Schauspieler, sondern Jesus Christus höchstpersönlich?!

Ich brachte im Anschluss an die Vorlesung von Andreas Eschbach auch ein paar kritische Anmerkungen in die Diskussion ein, und erwähnte Schwachpunkte, welche die Geschichte meiner Meinung nach aufweist. Und ich erwähnte auch, dass aus dieser zweifellos großartigen Idee viel mehr hätte gemacht werden können. Teilweise verflacht die Handlung stark oder es werden Nebenaspekte beschrieben, die nicht unbedingt für Furore sorgen. Zu meiner positiven Überraschung gestand Andreas Eschbach auch ein, dass er sich gewisser Schwächen des Romans bewusst sei, und sich bemühe, es bei seinem nächsten Roman besser zu machen.

Wenig später erschien dann „Eine Billion Dollar“, ein Roman, der wohl auch im objektiven Sinne um ein oder zwei Klassen höher als „Das Jesus Video“ eingeschätzt werden muss. Hier erbt ein junger Mann die stattliche Summe von einer Billion Dollar, und der Roman beschreibt auf bravouröse Weise, wie sich der Protagonist aufgrund seines plötzlichen Reichtums verhält, was er tut, was er unterlässt. Eingewoben in die spannende Handlung sind durchaus scharfe Kritiken am weltweiten Finanzsystem, und es wird sehr plastisch dargestellt, wie die Schere zwischen reichen und armen Menschen, reichen und armen Ländern durch bestehende Systeme, welche Menschen auf dieser Welt beherrschen und anwenden, ausgeweitet wird.

Ich habe die Vorlesung von Herrn Eschbach noch sehr gut in Erinnerung, und habe mit ihm danach sogar einige Male Mails ausgetauscht. Mittlerweile hat er – wie er selbst mal auf seiner Homepage schrieb – nicht mehr die Zeit, jede Mail zu beantworten. Wobei besonders hervorzuheben ist, dass er sämtliche wichtigen Fragen und Antworten auf seine HP gestellt hat, die für Autoren und Leser von Bedeutung sein mögen. Er bleibt also im Grunde keine Antwort schuldig. Insbesondere sein Roman „Eine Billion Dollar“ ist absolut empfehlenswert.

Donnerstag, 12. Februar 2009

Literatur-Universum, Teil 3: Ethan Hawke

Für mich zählt „Club der toten Dichter“ zu meinen absoluten Lieblings-Filmen, und als ich davon Kenntnis bekam, dass einer der wichtigsten Darsteller, nämlich Ethan Hawke, einen Roman geschrieben hat, musste ich mir das Buch sehr schnell zulegen.

Ich weiß nicht, ob es an der deutschen Übersetzung liegt, jedoch kann ich nicht behaupten, mich bei dieser Lektüre besonders amüsiert zu haben („Hin und weg“, deutscher Titel). Eher langweilig, doch durchaus immer wieder interessante Sequenzen zwischendurch. Ein Roman-Debut eines für Hollywood ziemlich eigenwilligen Menschen, der mit seiner Filmfigur Todd Anderson nichts gemeinsam haben mag.

Der Grund, warum ich an diesen Erstling von Mister Hawke gerne zurückdenke, liegt an einem kleinen Erlebnis, das ich hatte, als ich in der Straßenbahn sitzend die Lektüre auf mich wirken ließ. Neben mir saß nämlich über eine längere Fahrtstrecke ein Mann, der erst kurz vor dem Aussteigen (Endstation) das Wort an mich richtete. An den genauen Dialog kann ich mich nicht mehr erinnern, doch er erzählte mir davon, dass er Ethan Hawke anlässlich des Films „Before sunrise“ persönlich kennen gelernt habe.
„Ich hatte eine kurze Szene, wo ich einen Koffer zu tragen habe, und da kommt es zu einem kleinen Kontakt mit Ethan Hawke.“ (es handelt sich um eine Szene, die auf einem Bahnsteig gedreht wurde)

„Before sunrise“ ist ein Film, der in Wien spielt, und vielleicht aus diesem Grund von mir besonders geschätzt wird. Ethan Hawke spielt einen jungen Amerikaner, der in einem Zugabteil zufällig auf eine bildhübsche Französin – July Delpy – trifft, und die beiden beschließen, nicht sofort weiter nach Hause zu fahren bzw. zu fliegen, sondern in Wien Zwischenstation zu machen, und dort einen Tag und einen Großteil der Nacht zu verbringen. Die Konfrontation zwischen zwei Menschen, die sich vom ersten Moment an sehr gut verstehen, und wunderbar schräge Erlebnisse miteinander teilen, vertieft sich zu einer Liebesgeschichte, welche nach nur wenigen Stunden endet. Viele Jahre später folgte dann auch tatsächlich ein zweiter Film namens „Before sunset“, wo sich die beiden ehemaligen Turteltäubchen tatsächlich nochmals – zufällig in Paris – treffen.

Dem Zufall war es also zu verdanken, dass ich in einer Straßenbahn neben einem Mann saß, der gemeinsam mit Ethan Hawke eine Szene für „Before sunrise“ gedreht hatte. Freilich hätte mich der Mann nie angesprochen, wenn er nicht auf meine Lektüre aufmerksam geworden wäre. Die Welt ist klein, und ich würde in diesem Fall wie in vielen anderen Fällen auch nicht auf einen „reinen Zufall“ tippen. Im kleinen Universum einer Straßenbahn trug sich eine Begegnung zu, die wohl auch mein Gesprächspartner nicht vergessen haben sollte. Wenn doch, was ich freilich nicht überprüfen kann, dann wäre es schade…

Den zweiten Roman von Ethan Hawke mit dem Titel „Aschermittwoch“ habe ich übrigens bis heute nicht gelesen. Vielleicht sollte ich es mal nachholen, und dann taucht der Mann wie aus dem Nichts nochmals auf. Sollte jemand der Auffassung sein, dass dies nicht möglich sei, der lese mal im „roten Notizbuch“ von Paul Auster. Es gibt Zufälle, die es eigentlich gar nicht geben kann, aber es gibt sie doch! Das Leben hält immer wieder Überraschungen für uns bereit, wir Menschen müssen nur offen dafür sein…

Donnerstag, 5. Februar 2009

Literatur-Universum, Teil 2: John Steinbeck

Vielleicht hätte ich John Steinbeck nie entdeckt, wenn Bruce Springsteen nicht gewesen wäre. Nein, der „Boss“ hat mich nicht angerufen, und mir John Steinbeck anempfohlen, aber es war so ähnlich.

Eines Tages erfuhr ich, dass Bruce Springsteen ein neues Album heraus brächte. Der Titel des Albums lautete „The ghost of Tom Joad“. Tom Joad ist der Held bzw. – wenn man so will – „Anti-Held“ aus Steinbeck´s „Früchte des Zorns“. Also machte ich mich auf, und kaufte mir die CD. Ich war von Anfang an insbesondere vom Titelsong begeistert. Die berühmte Passage (davon wird noch die Rede sein) berührte mich tief. Ich kannte Bruce Springsteen nicht als Sänger von Balladen, doch wenige Monate nach Erscheinen von „The ghost of Tom Joad“ begab ich mich zu einem Konzert, das mir unvergesslich bleiben würde.

Bruce Springsteen spielte sehr leise Töne. Und mit der Interpretation von „The ghost of Tom Joad“ vermittelte er mir das Gefühl, ein ganz großer Musiker zu sein. Freilich, ich hätte es vorher schon wissen können, dass Bruce nicht umsonst „Boss“ genannt wird, doch es ist dieses stille Album, das ich nach wie vor ganz besonders an seinem musikalischen Werk schätze. Die Konzert-Besucher erwarteten zum Teil, dass er groß aufrocken mochte, aber Pustekuchen: Es blieb kein Stein auf dem Anderen, Bruce Springsteen wollte Tom Joad die Ehre erweisen, und er tat es.

Die Figur des Tom Joad ist es, durch die ich „Die Früchte des Zorns“ zu schätzen gelernt habe. Der Roman hat ohne Frage insgesamt eine starke Energie in sich, die Leser auf aller Welt begeistern mag, aber die Initialzündung, die unglaubliche Präsenz des Romans beruht absolut auf diesem ver-rückten Kerl, der in die Literaturgeschichte eingegangen ist.

Mom wherever there's a cop beatin' a guy
Wherever a newborn baby cries
Where there's a fight 'gainst the blood and hatred in the air
Look for me Mom I'll be there
Wherever there's somebody fightin' for a
place to stand
Or decent job or a helpin' hand
Wherever somebody's strugglin' to be free
Look in their eyes Mom you'll see me.

(John Steinbeck)

Wer „Die Früchte des Zorns“ liest, der wird Freundschaft mit Tom Joad schließen, außer der Leser hat ein Herz aus Stein.

Ich habe dann noch einige weitere Werke von John Steinbeck gelesen. „Jenseits von Eden“ ist ein bombastischer Roman, absolut, „Von Mäusen und Menschen“ lebt von der Darstellung einer ungewöhnlichen Freundschaft, doch „Die Früchte des Zorns“ zeigen auf eine zum Herzerweichen schöne Weise, was es bedeutet, das Leben zu lieben, und den Tod nicht als Feind zu sehen.