Samstag, 25. April 2009

Literatur-Universum, Teil 10: Elfriede Jelinek


Es begann mit der Lektüre der „Liebhaberinnen“ im Alter von etwa 19 Jahren, angeregt durch eine begeisterte Mitschülerin, und bald folgte „Die Klavierspielerin“ als Lesestoff. Ich las diese beiden Bücher von Elfriede Jelinek mit besonderer Aufmerksamkeit. Jeder Satz ist in sich stimmig, und vermag oft eine Lawine von Assoziationen im Leser zu erzeugen. Drei, vier Jahre später las ich dann die Krönung in Form von „Lust“, dem wahrscheinlich erstaunlichsten Roman, den Elfriede Jelinek bislang verfasste.

„Lust“ beschreibt den Irrsinn männlicher Allmachtsphantasien, sexueller Ausbeutung und Erniedrigung von Frauen in einer sprachlichen Ausprägung, die ihresgleichen sucht. Eine Geschichte, die als weiblicher Widerstand und gleichzeitig Bildungsroman gelesen werden kann. Letzteres sogar in doppeltem Sinne, da einerseits die intellektuelle Konfrontation mit Männern, für die Frauen nur verlängerte Arme der Selbstbefriedigung darstellen, und andererseits die Zugeständnisse an innere Befindlichkeiten von Frauen UND Männern die Leserinnen und Leser zu spezifischen Reflexionen anregen mögen. Kurzum ein Roman, der leicht mißinterpretiert werden kann, insofern die mechanischen Darstellungen von Sexualität falsche Schlüsse des Lesers nach sich zieht.

Ich habe mich sehr für Elfriede Jelinek gefreut, als ihr im Jahre 2004 der Nobelpreis für Literatur zuerkannt worden ist. Es gab damals einen ziemlichen Medienrummel und nicht wenige selbsternannte „Richter“ schrieben diffamierende Zeilen über die Autorin anlässlich dieser Entscheidung des Nobelpreis-Komitees. Elfriede Jelinek polarisiert insbesondere in Österreich. Der Vorwurf, sie denunziere Österreich, ist hierbei der absurdeste Aspekt.

Etwas verwundert war ich, weil ich mich fragte und eigentlich heute noch frage, wie denn die Juroren die Prosa von Elfriede Jelinek übersetzt bekamen? Elfriede Jelinek schreibt keine Prosa, die in alle Sprachen der Welt mit Leichtigkeit übertragen werden kann. Sie verfügt über eine sprachliche Ausdruckskraft, welche metaphorisch – harmlos ausgedrückt – weitläufig angelegt ist, und zudem Wiederholungsspiralen und ineinanderfließende Haupt- und Nebenstränge in Beziehung stellt. In dieser Form sicher eine Besonderheit von Auseinandersetzung mit Sprache, auch wenn etwa Rilke zum Teil ähnlich bravourös agierte.

„Die Kinder der Toten“ wird manchmal als ihr bester Roman gepriesen, was ich nicht bestätigen kann. Sicher hat dieser Roman einiges an Potenzial zu bieten; an „Die Klavierspielerin“ und insbesondere „Lust“ kommt er jedoch nicht heran.

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